0178 - Wir spielten mit dem Feuer
in der Nase, dass es nicht auszuhalten war. Ich holte tief Luft und vertrieb das Kribbeln durch ein explosionsartiges Niesen.
»Na also!«, sagte jemand.
Ich öffnete die Augen.
Das Erste, was ich sah, war das Gesicht eines alten Mannes, der einen grauen Spitzbart trug, eine goldgefasste Brille und einen dunkelgrauen Hut. Das Gesicht war von zahllosen Falten durchzogen, aber die Augen blickten noch so hell und scharf wie die eines Jünglings.
Der Mann zog ein geöffnetes Fläschchen von meiner Nase weg.
»Gebt ihm einen starken Kaffee!«, sagte er zu einigen Leuten, die hinter ihm standen.
Ich hob den Kopf ein wenig und erkannte die dunkelblauen Uniformen der New Yorker Stadtpolizei. Beruhigt schloss ich die Augen wieder und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Mir tat alles weh, und ich wünschte, ich läge in einem Bett und jemand sagte mir, ich sollte achtundvierzig Stunden schlafen. Aber dieser jemand müsste schon Mr. High sein.
Der Duft von heißem Kaffee stieg mir in die Nase. Jemand schob seinen Arm unter meinen Kopf und hob ihn hoch.
Ich öffnete die Augen wieder und erkannte den Spitzbart.
»Trinken Sie, Agent Cotton«, sagte er.
Ich tat’s. Das Zeug war höllisch heiß und deshalb nur schlückchenweise zu genießen. Aber es tat gut. Es war ein Kaffee, wie man ihn in keinem Lokal bekommen kann, ohne den doppelten Preis zu bezahlen.
Danach fühlte ich mich schon halbwegs besser. Mit des alten Mannes Hilfe konnte ich mich auf setzen.
Ich lag auf der Bank im elften Revier. Ein Stück weiter lag Phil. An dem Pult des diensttuenden Officers hockte ein alter, verwitterter Polizeilieutenant. Er hatte einige Narben im Gesicht, die er sich bestimmt nicht bei einem akademischen Fechtkursus zugezogen hatte. Sechs oder sieben Polizisten standen um mich herum.
Auf einem Stuhl neben der Bank lagen meine Dienstpistole, mein Dienstausweis und meine Taschenlampe. Die übrigen Besitztümer schienen sie in meinen Taschen gelassen zu haben.
»Ich nehme an, Sie sind der Revierarzt?«, fragte ich mit heiserer Stimme den Spitzbart.
Er nickte.
»Ja, Agent Cotton. Mein Name ist Harrold. George W. Harrold. Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen. Natürlich habe ich schon eine Menge von Ihnen und von Agent Decker gehört.«
»Da wir gerade bei Agent Decker sind«, krächzte ich, »wie geht’s meinem Freund eigentlich? Ist es schlimm?«
»Nun, er hat einen ganz gehörigen Schlag auf den Kopf bekommen. Soweit ich es durch bloßes Tasten feststellen konnte, ist nichts gebrochen. Aber das kann man erst nach dem Röntgen sagen. Jedenfalls glaube ich doch, dass er durchkommen wird.«
»Wie stehen die Chancen dafür?«, fragte ich.
»Neunzig gegen zehn, dass er’s schafft«, sagte der Doc.
»Ich möchte Ihnen um den Hals fallen, aber ich habe eine Abneigung gegen zu heftige Bewegungen. Was war denn eigentlich los? Wie kommen wir hierher?«
Der Doc sah sich suchend um. Einer der Polizisten trat vor.
»Agent«, sagte er stramm, »es war in der Nähe des Chatham Square. Vor Lancolms Inn! Ihr Freund saß auf dem Gehsteig, Sie kamen mir entgegen. Reichlich schwach auf den Beinen, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben.«
»Ich erlaube Ihnen noch viel mehr«, grinste ich, denn mir kam langsam die Erinnerung wieder. »Ohne Ihre Hilfe wäre ich jetzt vielleicht schon sonst wo. Kamen da nicht plötzlich aus einem Torweg ein paar Gestalten, die sich auf mich stürzten? Oder habe ich mir das eingebildet?«
»Oh, nein, Agent! Die Burschen waren wirklich da. Jemand muss Sie mit einem Totschläger niedergeschlagen haben. Als Sie schon stürzten, sah ich einen ein Messer ziehen. Da ich noch nicht nahe genug heran war, riss ich meine Pistole heraus und jagte einen Warnschuss in die Luft. Das trieb sie auseinander. Sie verschwanden wie Mäuse im Loch, wenn sie eine Katze sehen.«
»Gut, dass Sie geschossen haben«, brummte ich. »Vielleicht wollten die mich mit dem Messer wirklich erledigen. Ich hatte gerade einen verdammt anstrengenden Kampf hinter mir. Gegen die Burschen hätte ich nichts mehr ausrichten können. Viele Hunde sind des Hasen… und so weiter.«
Ich sah mich suchend um. Jemand hielt mir noch einen Becher Kaffee hin. Ich nahm ihn mit einem dankbaren Kopfnicken.
»Vielleicht kann mal jemand das FBI anrufen«, bat ich. »Erstens hat unser Doc im Distriktgebäude eine Röntgeneinrichtung, und zweitens wartet in einer unserer Zellen ein schmächtiges Jüngelchen darauf, dass es endlich von mir verhört
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