0182 - Der Seelenfresser
dabei den Bitter CD aus den Augenwinkeln zu verlieren.
»Nein, aber das macht nichts. Ich habe sowieso wieder ein paar Pfund zuviel um die Hüften.«
»Entschuldige«, sagte Zamorra zerknirscht. »Wie konnte ich das übersehen - sind ja schon richtige Schwimmreifen.«
»Jetzt reicht es aber«, fiel ihnen Nicole in die Parade. »Genug geflachst, gehen wir erstmal hinein. Raffael verzweifelt sicher schon. Er hat uns einen schönen Espresso zubereitet. Danach können wir dann fahren. In Ordnung?«
»Aber ja«, lachte Manuela. »So eilig habe ich’s gar nicht. Na, was macht eure Liebe?«
Zamorra verzog das Gesicht. »So lala«, dehnte er. »Aber frag nicht mich, frag Nici.«
»Er hat ausnahmsweise mal recht«, meinte seine Lebensgefährtin und küßte ihn zärtlich. »So lala.«
»Aha«, machte Manu. Ihre Augen lachten. Sie fühlte sich sichtlich wohl unter den Freunden.
»Bill muß dich ja sehr vernachlässigen«, stellte Zamorra fest. »Ich werde ihm mal Bescheid stoßen müssen, daß noch andere Dinge auf der Welt existieren als irgendein vertrockneter Indio-Mythos.«
»Tu das mal«, erwiderte Manu resigniert. »Aber es wird kaum etwas nützen. Du kennst ihn ja.«
»Ja, er kennt ihn«, antwortete Nicole statt Zamorra. »In dieser Beziehung ähneln sie sich doch sehr…«
»Danke«, brummte der Meister des Übersinnlichen.
»Bitte!«
Zamorra wechselte das Thema. »Seit wann hast du denn diesen Bitter?« erkundigte er sich.
Nicole ahnte, worauf diese harmlos wirkende Frage letztlich hinauslaufen konnte: in stundenlanges Fachsimpeln.
»Könnt ihr das nicht drinnen besprechen? Mir wird kalt.«
Man war einverstanden. Manus Gepäck blieb im Auto, weil sie ohnehin gleich weiterfahren wollten. Erster Etappenstopp ihrer geplanten Einkaufstournee sollte, wie war es anders zu erwarten, Paris sein.
Im Salon kitzelte Zamorra Eigenschaften über das Fahrverhalten des Bitter CD aus Manuela heraus und rechtfertigte seine Aufdringlichkeit damit, daß Nicole und Manu schließlich noch lange genug Zeit hatten, sich über ihre Themen zu unterhalten.
Manuela Ford, Kunststudentin und leidenschaftliche Lotto-Spielerin, gab bereitwillig Auskunft. Der Bitter, dessen Teile mit Ausnahme des Blechkleides der Karosse, das von Baur in Stuttgart hergestellt wurde, aus Opel-Beständen stammten, ähnelte äußerlich italienischen Sportcoupes. Seine 8-Zylinder-V-Maschine brachte es immerhin auf eine maximale Leistung von ca 230 PS. Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch des über einen 80-Liter-Tank verfügenden Gefährts mutete demgegenüber fast brav an: 15,5 Liter. Manuela rühmte sich sogar, bereits unter 13 Liter Mittelwert gefahren zu sein.
Gegen zehn Uhr vormittags unterbrach Nicole endlich die Diskussion, nachdem Manu Zamorra eine baldige Probefahrt versprochen hatte.
»Jetzt brechen wir aber wirklich auf«, schmollte Nicole.
Sie hatte kaum ausgesprochen, als es geschah.
Merlins Stern mutierte… !
***
Susan O’Hara wußte nicht mehr, wie lange sie schon in einer Ecke des siebeneckigen, schattenlos erhellten Raumes kauerte.
Die Zeit hatte jegliche Bedeutung für sie verloren. Starr hielten ihre Augen an der Stelle in der massiv wirkenden Wand fest, hinter der der Hagere in der weißen Kutte mitsamt dem häßlichen Gnom verschwunden war.
Vor - Stunden…?
Schwer und keuchend ging Susans Atem, von unterdrücktem Schluchzen erstickt. Hinter ihrer schweißnassen Stirn fieberten schreckliche Gedanken. Sie dachte unentwegt an die Worte des Alten, die vom Kreischen des fellbedeckten Gnoms begleitet worden waren.
Noch immer steckte ein Rest jener unheiligen Kälte in ihr, der durch die Berührung des Unheimlichen auf sie übergegangen war. Sie schauderte.
»Pyt«, flüsterte sie gepreßt.
Der Laut, von ihren bebenden Lippen geformt, pflanzte sich unwirklich im Raum fort. »Wo bin ich?« dachte sie nicht zum erstenmal. Und wieder fand sie keine Antwort.
Der Alte - der wie ein keltischer Druidenpriester aus den Überlieferungen aussah und auch solche Macht besaß… wer war er?
Er hatte davçn gesprochen, daß sie sterben sollte, hatte es ihre Bestimmung genannt und auf den günstigen Zeitpunkt hingewiesen. Günstig wofür?
Wahnsinn, dachte Susan, purer Wahnsinn! Ihre empfindlichen Sinne registrierten unverändert die Aura des Bösen, die von ihrer Umgebung auf sie einwirkte.
Früher, erinnerte sich Susan, hatte sie unter dem Bösen immer etwas anderes verstanden; etwas Kriminelles oder einfach etwas Schlechtes,
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