0182 - Der Seelenfresser
seinem Endpunkt zu nähern. Das Mädchen wußte nicht, woher dieser Glauben kam, aber mit jedem weiteren Schritt wurde er stärker.
Bis sie gegen die unsichtbare Barriere prallte!
Sie schrie vor Verblüffung leise auf. Den kurzen Schmerz ignorierte sie völlig. Ungläubig streckte sie die Arme aus und tastete über die unsichtbare Wand, die sich ihren Augen als weitere Verlängerung des Ganges darbot und eigentlich gar nicht hätte existieren dürfen.
Ihre Finger trafen auf festen Widerstand. Glatt, kühl, aber mit menschlichem Auge nicht erfaßbar.
Neben sich vernahm sie ein Geräusch.
Sie drehte sich um und sah gerade noch, wie sich eine Öffnung in der Wand rechts von ihr bildete. Der Durchlaß war groß genug, um einen Menschen passieren zu lassen.
Oder einen Druiden, dachte Susan automatisch.
Hinter der Öffnung herrschte diffuses Zwielicht und keineswegs jene schattenlose Helle, die sie bisher kennengelernt hatte.
Das Mädchen trat näher an die Tür heran und streckte den Kopf soweit vor, daß sie in den Raum dahinter sehen konnte.
Mein Gott, dachte sie, als sie die Einzelheiten erkannte.
Fußboden und Decke des makabren Raumes waren in Schwarz gekleidet, die Wände in düsterem Rot gestrichen. An den Wänden befanden sich merkwürdige Schriftzeichen und Symbole, die für Susan keinen Sinn ergaben. Der Raum besaß eine quadratische Form, und in jeder Ecke stand eine oberschenkeldicke brennende Kerze aus schwarzem Wachs. Die Kerzen waren die einzige Lichtquelle. Sie flackerten leicht, als würden sie auf Susans Atem reagieren.
Am gegenüberliegenden Ende des Raumes stand ein rechteckiger, hüfthoher Tisch, der mit schwarzem, samtartigen Tuch überspannt war. Am Kopfende des Tisches ragte ein etwas höherer Sockel auf. Weder auf Tisch noch Sockel lag irgend etwas.
Ansonsten wies der Raum keine Einrichtung auf. Nur in der Mitte hing eine tennisballgroße Kugel an einem fast unsichtbaren Faden von der Decke herab und pendelte in unbestimmbarem Rhythmus hin und her.
Automatisch blieb Susans Blick an dem Gebilde hängen.
Komm näher! drang eine Stimme mit erschreckender Klarheit in ihr Gehirn.
Das Mädchen fuhr zusammen, konnte aber den Blick nicht von der Kugel ablassen.
Sie übertrat die Schwelle.
Hier wirst du sterben, sagte die Stimme.
***
Zamorra erwachte. Anders konnte man es nicht bezeichnen, als er die Augen wie nach ewigem Schlaf aufschlug und blinzelnd auf die Helligkeit der Mittagssonne reagierte.
»Deibelskram«, knurrte Zamorra, als er sofort erfaßte, daß er sich absolut nicht mehr auf dem Château aufhielt.
Kalter Wind blies ihm entgegen und zerwühlte sein Haar. Er lag am Boden auf einer Art Wiese, die jedoch lange nicht mehr bewirtschaftet zu sein schien, Unkraut dominierte über sogenannte Kulturgräser. Die Luft roch salzig, nach Meer und Brandung. In einiger Entfernung sah Zamorra die Silhouetten einer größeren Häuseransammlung.
»Scheibenkleister«, brummte er und überlegte, was er tun sollte. Er wußte nicht mal, wo genau er sich befand, wußte auch nicht, wie lange er ohne Besinnung gewesen war. Und was eigentlich passiert war, konnte er auch nur ahnen.
Er richtete sich auf.
Erst jetzt glitt sein Blick zu dem Amulett hinunter, das halb aus, seinem Hemd heraushing. Wieder wirkte es ganz normal, aber Zamorra ließ sich dadurch nicht mehr täuschen. Jeden Moment konnte sich der Zustand des Sterns ändern. Er hatte es gerade erfahren.
Nur mit Cordhosen und Baumwollhemd bekleidet, also durchaus nicht wetterfest, aber den Verhältnissen im Château angepaßt, wurde es allmählich kalt.
»Dem muß abzuhelfen sein«, erklärte er entschieden und legte im Dauerlauf die Entfernung zu den Häusern zurück, die sich beim Näher kommen als kleine Ortschaft entpuppten. Hier hoffte Zamorra, zunächst mal ein Wirtshaus zu finden, in dem er telefonieren und sich aufwärmen konnte. Er hatte Glück im Unglück gehabt und wenigstens den Geldbeutel und die Scheckkarte in der Gesäßtasche seiner Hose mit sich getragen.
Am Rande der Ortschaft stieß er auf ein notdürftig mit Draht an einem Balken befestigtes Schild, auf dem der Name des Dorfes in verblichener Schrift zu lesen war.
Callenish, las Zamorra und wußte, daß er sich seine französische Währung an den Hut stecken konnte. Blieben noch die Schecks, aber es stand zu befürchten, daß man in einem so kleinen Ort nicht gerne auf solchen »neumodischen Kram« einging.
»Probieren geht über studieren«, setzte Zamorra seinen
Weitere Kostenlose Bücher