0183 - Der Mann, der das Grauen erbte
»Dort oben hätten wir eine Chance gehabt, sie zu besiegen oder wenigstens zu vertreiben. Aber Sie mußten ja unbedingt hierher kommen. Sie mußten ja unbedingt versuchen, das Geheimnis zu lösen, Sie Narr.«
»Aber…«
»Verstehen Sie immer noch nicht?« kreischte Celham plötzlich. »Was glauben Sie, warum sich Shudde-mell und seine Shoggoten bisher zurückgehalten haben? Weil sie wußten, daß ich noch am Leben war. Und weil sie wußten, daß ich einen Bannspruch über sie verhängt habe. Solange ich lebe, können sie ihre Macht in unserer Welt nicht voll entfalten. Dort oben müssen sie mir gehorchen, dort bin ich ihr Herr und Meister. Aber hier unten ist ihr Reich. Hier bin ich machtlos. Sie werden uns töten, Zamorra. Um Sie und Ihre Begleiter ist es nicht schade. Sie haben sich Ihr Schicksal weiß Gott selbst zuzuschreiben. Aber wenn ich tot bin, gibt es keine Macht mehr, die diese Bestien noch aufhalten kann. Die Welt wird ihnen gehören, verstehen Sie, Zamorra? Ihnen! Shudde-mell, Yogh-Shoggot und all den anderen gräßlichen Ungeheuern, die ihnen folgen werden.« Er brach ab, schluckte und kämpfte sichtlich um seine Fassung.
»Sie haben mein Lebenswerk zerstört, Zamorra«, fuhr er nach wenigen Sekunden fort. »Ich wollte den Menschen den Frieden bringen. Wenn Sie sich nicht eingemischt hätten, hätte ich mit Hilfe des Buches ein Paradies auf der Erde errichten können. Aber so…« Er drehte sich langsam um, sah der näherkriechenden Alptraumgestalt entgegen und machte einen Schritt. Plötzlich schrie er auf, hob das Buch über den Kopf und rannte auf Shudde-mell zu.
Ein Tentakel schnappte nach seinem Fuß und brachte ihn zu Fall. Die Shoggoten drangen jetzt von allen Seiten auf ihn ein. Celham schlug in blinder Panik mit dem Buch um sich, und für einen winzigen Augenblick sah es fast so aus, als würde er die Bestien in die Flucht schlagen können. Sie schienen die Berührung des Buches genauso zu fürchten wie vorher den Sternstein.
Aber Celhams Kräfte erlahmten rasch. Ein dicker, schleimiger Tentakel ringelte sich plötzlich um seinen Arm. Das Buch flog in hohem Bogen davon und landete direkt vor Zamorras Füßen, während Celham unter den Körpern der Shoggoten begraben wurde.
Zamorra erkannte die Chance sofort, die sich ihnen hier bot.
Er fuhr herum gab Nicole einen Stoß in Richtung auf den Ausgang und hob das Buch auf. »Los!« schrie er. »Raus hier!«
Sie erreichten die Tunnelöffnung, ohne angegriffen zu werden. Nicole griff als erste nach dem dünnen Seil und zog sich daran hoch, dichtauf gefolgt von Bill und Martens, der trotz seiner verletzten Schulter mit beiden Händen das Nylonseil packte und sich daran emporangelte.
Zamorra sah sich gehetzt um. Die Bestien schienen immer noch keine Notiz von ihnen zu nehmen, aber es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie von Celham ablassen und sich den neuen Opfern zuwenden würden.
Schließlich, nach einer Ewigkeit, erreichte Nicole den oberen Rand des Stollens und zog sich ins Freie.
Zamorra griff nach dem Seil und machte sich an den Aufstieg. Die Wände des Stollens waren glatt und rutschig, seine Schuhsohlen fanden kaum Halt auf dem glashaltigen Material, aber er hangelte sich Meter um Meter weiter empor. Verdammt - wie lang war dieser Tunnel?
Hinter ihm waren plötzlich Geräusche; das wütende Fauchen der Shoggoten, die von ihrem Opfer abgelassen hatten und jetzt die Verfolgung aufnahmen. Ein starker Fangarm schnappte nach Zamorra und ringelte sich um seinen Fuß.
Zamorra schrie gequält auf, als das Ungeheuer mit aller Kraft zog. Das dünne Nylonseil schnitt in seine Handflächen. Blut tropfte von seinen Händen und machte das Seil noch rutschiger. Aber er ließ nicht los. Er wußte, daß er verloren war, wenn es den Ungeheum gelang, ihn zu sich herab in die Tiefe zu ziehen.
Und nicht nur er.
Mit einer verzweifelten Drehung gelang es ihm, den Schuh abzustreifen und den Fuß aus der Umklammerung der Bestie zu befreien.
Von unten erklang ein wütendes Zischen. Aber Zamorra war frei. Mit einer letzten, verzweifelten Kraftanstrengung zog er sich die letzten Meter empor. Bill und Nicole griffen nach seinen Handgelenken und zogen ihn vollends ans Tageslicht.
Der Himmel hatte sich während ihres Ausflugs in die Unterwelt mit dunklen Regenwolken bezogen, aber der Anblick kam Zamorra in diesem Moment herrlicher vor als alles, was er je zuvor gesehen hatte.
»Das war knapp«, keuchte Bill, als Zamorra schweratmend neben ihm
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