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0184 - Der Kraken-Götze

0184 - Der Kraken-Götze

Titel: 0184 - Der Kraken-Götze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Michael
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Kuhherde in panische Stampede treiben würde. Aber die Aufmerksamkeit der Festgäste war geweckt, man strengte sich an zu hören, was der junge Mann in der schwarzen Ledermontur zu sagen hätte.
    In kurzen, knappen Sätzen versuchte Jürgen Reisewitz den Leuten des Dorfes klar zu machen, daß Siegmund Stoller von den Toten auferstanden war.
    Befremdete Blicke, staunende Augen, gefurchte Stirnen. Mehrere der Anwesenden im Saal schüttelten den Kopf. Was dem Jüngling da oben so einfiel. Ein wandelnder Leichnam! - Unverständlich. - Die heutige Jugend sah zu viele Gruselfilme und las zu viele Gespensterromane. Aus der Ecke des Saales ertönte ein meckerndes Lachen. »Holt den Kirmesbär noch mal«, gröhlte ein angetrunkener Jugendlicher, den Jürgen als ein Mitglied seiner Motarradgang erkannte. »Wir wollen doch mal sehen, ob der Kirmesbär größer ist als der Brummei, den uns Zoppo da aufbinden will!« Die Umstehenden fielen in das johlende Gelächter ein.
    Jürgen Reisewitz wollte den Lachern wütend etwas zubrüllen, als vom Eingang ein schriller Schrei ertönte. Bewegung entstand, eine undurchsichtige Verwirrung. Irgend etwas Ungeheuerliches mußte dort geschehen. Alle die am Eingang oder in der Nähe gestanden hatten, drängten in Richtung Tanzfläche, klirrend ging ein ganzes Tablett mit gefüllten Biergläsem zu Boden. Die Gesichter der Zurückweichenden waren weiß wie Kreide, in ihren Augen flackerte es, als sei ihnen der Leibhaftige erschienen. Jürgen konnte von der Bühne in diesem Tohuwabohu nur verzerrte Sätze verstehen. »… doch schon längst tot…«, und »…mit eigenen Augen gesehen…«, und angstverzerrt: »… wird uns alle holen…«
    Und dann sahen alle, daß Jürgen Reisewitz nicht fantasiert hatte.
    ***
    Anton Brandner hatte aufbrausen wollen, als er diesen Motorrad-Cowboy in Begleitung seiner Tochter in den Saal gestürmt kommen sah. Wie rüpelhaft der sich benommen hatte. Und wie rücksichtslos er sich den Weg durch die Menge bahnte, alle rempelte er an, ohne ein einziges Mal um Entschuldigung zu bitten, wie es der Höflichkeit entsprochen hätte. Und seine Susi fand das natürlich gut. Es wurde Zeit, daß mit dem Kind andere Saiten aufgezogen wurden. Anton Brandner nahm sich vor, dem Töchterchen gründlich die Meinung zu sagen und dank väterlicher Gewalt eine Art Hausarrest zu verhängen. Das Rumgeturtele mit diesem Halbstarken mußte aufhören. Wo sollte das hinführen. Man mußte sich ja schämen. Immerhin war man ja wer.
    In seiner Wut achtete Anton Brandner nicht darauf, was Jürgen Reisewitz verzweifelt der Menge klarzumachen versuchte. Wie ein gereizter Stier sprang er auf und wollte quer durch den Saal, seine Susi zum eigenen Tisch zu zerren. Er nahm nicht die aufkommende Panik wahr, hörte nicht die Wortfetzen, ahnte nicht die Gefahr, in die er sich begab. Er sah nur seine Tochter in der Menge, deren schreckgeweitete Augen ihn anstarrten. Er überhörte auch die Schreie, die ihn warnen wollten und mißdeutete die Hände, die ihn auf die nahe Gefahr aufmerksam machen wollten.
    Der Angriff kam jäh und für Anton Brandner völlig unerwartet. Krallige Hände griffen in seine Anzugsjacke, von einer Gewalt, gegen die er völlig machtlos war, wurde Brandner herumgerissen. »Was soll das!« fauchte er erbost, »lassen Sie mich los. Sind Sie wahnsinnig, Sie…!« Der Rest des Satzes erstarb. Anton Brandner hatte Siegmund Stoller nur einige Male flüchtig gesehen und hatte beiläufig vermerkt, daß der alte Säufer das Zeitliche gesegnet hatte. Und nun - dieses bleiche Gesicht - war er es? Diese gewaltigen Kräfte, die ihn gepackt hielten. Und diese leeren Augen, die starr auf ihn gerichtet waren, wie die toten Augen eines Blinden. Grabeskälte ging von der Gestalt aus und ließ Anton Brandner einen Schauer über den Rücken jagen. Wie Nebelstreifen war die Wirkung des genossenen Alkohols verschwunden. Für Anton Brandner versank alles ringsherum, er spürte die drohende Gefahr und wußte gleichzeitig, daß er dem Toten, der ihn gepackt hatte, nichts entgegensetzen konnte. Sein ganzer Körper war vor Todeangst wie paralysiert, er vermochte kein Glied zu regen. Und langsam, ganz langsam, näherte sich die krallige Hand des Toten seiner Kehle. Anton Brandner vermeinte, dem Sensenmann selbst ins Gesicht zu blicken.
    Es war der Moment, wo Zoppo über sich selbst hinauswuchs. Obwohl von Grauen geschüttelt, riß es ihn vorwärts. Er dachte nicht lange darüber nach, daß es sich um den

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