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0184 - Der Kraken-Götze

0184 - Der Kraken-Götze

Titel: 0184 - Der Kraken-Götze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Michael
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noch die beiden Vorderfüße in den Händen. Es klackte laut, als er die beiden Hölzer kreuzte. Das Symbol der Christenheit, die Standarte des Sieges, des Guten über das Böse war gebildet.
    In hoc signo vinces - In diesem Zeichen wirst du siegen. Und wie einst die Legionäre Roms Kaiser Constantin dem Großen nachgestürmt waren, so sammelte sich die anwesende Bevölkerung von Freienhagen hinter ihrem Hirten.
    »Weiche, Satan!« dröhnte Georg Schygallas Stimme ehern durch den Raum. »Es ist Christus, der dir dies durch mich befiehlt!«
    Ironie des Schicksals. Ein evangelischer Pfarrer benutzte Worte aus dem römischen Ritual, mit dem die katholische Kirche seit den Tagen des finsteren Mittelalters den Exorzismus vornimmt.
    »Es ist Christus, der dir dies durch mich befiehlt!«
    War es die Menge, die sich, geführt vom Seelenhirten der Gemeinde, nun entschlossen auf den Toten zubewegte oder war es der teuflische Wille dessen, der ihn lenkte und leitete und durch Stollers Augen den Ablauf der Handlung verfolgen konnte. Niemand wird je eine Antwort darauf erfahren, ob Amun Re hier sein Spiel verloren gab.
    Jedenfalls zog sich Stoller zurück und wankte in Richtung Ausgang. Die Kassierer an der Tür spritzten zur Seite.
    Wie eine verschworene Gemeinschaft folgten die Menschen von Freienhagen dem Geistlichen, der, das improvisierte Kreuz hocherhoben, mutig auf den zurückweichenden Stoller zuging. Georg Schygalla stimmte mit fester Stimme an:
    »Eine feste Burg ist unser Gott, eine starke Wehr und Waffen… !«
    Und siehe, der dem Grabe Entstiegene schien durch die Gewalt von Luthers Lied förmlich zurückgerissen zu werden. Er taumelte hinaus in die Nachtschwärze, zog sich langsam, Stück für Stück, zurück. Pfarrer und Gemeinde folgten ihm, von heiliger Begeisterung getrieben. »Eine feste Burg ist unser Gott…!«
    Wie mit Peitschenschlägen getrieben wich der Untote. Schon hatten sie den Rand des Dorfes erreicht. Bleich beschien das Licht des Mondes den Weg, der zum Friedhof und zur Ruine Stolzenfels führte. Die Bewegungen des Toten waren nun eindeutig Flucht. Sein Meister hatte festgestellt, daß an anderer Stelle unauffälliger Opfer zu bekommen waren. Die Bastion wurde aufgegeben, der Kämpfer des Bösen zurückgezogen.
    Siegmund Stoller verschwand in der Schwärze des Waldes. Hier stockte der Schritt des Pfarrers. Mit einem Gespenst im Dunkel zu kämpfen, in dessen eigenem Reich, das wollte er doch nicht. Er rief noch einige schnell improvisierte Bannworte in den Wald. Dann wandte er sich um und ging zurück nach Freienhagen. Die ganze Gemeinde folgte ihm. Aber sie gingen nicht zurück in das ›Rote Roß‹. Alle zogen vereint in die Kirche ein und Georg Schygalla hielt einen Dankgottesdienst. Er konnte sich nicht zurückerinnern, daß seine Kirche schon einmal so voll war.
    Während des Gottesdienstes legte Anton Brandner die Hand seiner Tochter in die von Jürgen Reisewitz.
    ***
    Es war niemandem aufgefallen, als Hermann Zartes das Feuer verließ.
    Obwohl dieser Professor für Parapsychologie ein ausgezeichneter Gesellschafter war und viel von anderen Ländern, die er mit seiner Sekretärin bereist hatte und von rätselhaften Phänomenen, denen seine Forschung galt, berichtete, irgendwann hielt es Hermann Zartes nicht mehr aus. Er erhob sich und verdrückte sich diskret in den Wald, um sein Geschäftchen zu erledigen.
    Leise knackten dürre Äste unter seinen Füßen. Irrwischen gleich torkelten Leuchtkäufer umher. Und die ansteigenden Bodennebel verminderten ein Gefühl davon, das den Menschen beschleicht, wenn die Nachtgeister schemengleich ihre Gräber verlassen.
    Hermann Zartes wurde es nun doch mulmig. Hatte er den Erzählungen des Parapsychologen etwas zuviel gelauscht? Unsinn! Von klein an hatte man ihm eingehämmert, daß es keine Gespenster und ähnliche Phänomene gäbe. Und er war stolz darauf, ein rationell denkender Mensch zu sein.
    Zartes befand sich bereits auf dem Rückweg, als es geschah. Um seinen Nacken schloß sich ein fester Griff. Er wollte aufschreien, doch seinen Lippen entfloh nur ein Röcheln. Hermann Zartes Abwehrreaktionen kamen nur in Zeitlupe. Sein Verstand wirbelte. Das war keiner seiner Freunde. Nicht einer von ihnen hatte diese Kraft. Wer aber dann?
    - Der Professor? - Nein, der hätte keinen Grund! - Oder sollte etwa…?
    Langsam, ganz langsam fühlte Hermann Zartes, wie er herumgedreht wurde. Und dann sah er in die toten Augen des Siegmund Stoller.
    Die gnädige Nacht

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