0186 - Höllenfahrt um null Uhr zehn
Arbeit machen, und dazu müssen wir fit sein. Heute nacht wird geschlafen. Hier im Office. Wir können uns abwechselnd in die Telefonwache teilen.«
»Kommt gar nicht in Frage«, sagte Stephan in seiner gepflegten englischen Aussprache, die er selbst nach 20 Jahren Aufenthalt in den Staaten noch nicht abgelegt hatte. »Ich habe Roger Kingston gebeten, heute nacht am Telefon zu wachen. Roger ist ein alter Kriegskamerad von mir. Er war seinerzeit genauso hinter meiner Frau her wie ich. Aber das hat unserer Freundschaft keinen Abbruch getan. Er wird heute nacht hier im Office bleiben. Ich bürge für seine Zuverlässigkeit.«
Ich war viel zu müde, als daß ich hätte widersprechen mögen. Die Aussicht auf eine ganze Nacht mir richtigem Schlaf in einem richtigen Bett machte mich schwach.
»Okay, Stephan, wir nehmen nur zu gern an«, sagte ich. »Wenn eine wichtige Meldung kommt, soll er uns wecken. Und jetzt müssen wir schnell noch alle Posten und Sperren von der Idee verständigen, die Phil heute hatte…«
Ich sagte so ziemlich jedem dasselbe, nämlich: »Ab heute abend werden die Nummern aller Kraftfahrzeuge auf geschrieben, die Ihre Posten passieren. Bis zum Morgengrauen, sagen wir: bis sechs. Die Liste muß mit Uhrzeiten geführt werden. Alles klar?«
»Sicher, Mr. Cotton, aber was versprechen Sie sich denn davon?«
»Das werden wir hoffentlich bald sehen!« sagte ich, ohne die Katze aus dem Sack zu lassen.
***
Nach dem Frühstück fuhren wir hinüber nach Lilianwos. Sheriff Plachnow saß bereits in seinem Office, obwohl es erst kurz vor acht war, als wir bei ihm eintrafen.
»Hallo, die G-men!« begrüßte er uns. »Setzen Sie sich!«
»Danke, Sheriff. Wir hatten gestern keine Zeit, uns weiter um den jungen Horace zu kümmern. Haben Sie aus der Stadt den Haftbefehl bekommen?«
»Ja. Morgens gegen elf Uhr kam ein Justizbeamter und brachte den Wisch. Der alte Horace hat die ganze Zeit auf mich eingeredet, mal im Guten, mal im Bösen. Aber ich bin hart geblieben. Der Junge sitzt in einer soliden Zelle. Wollen Sie ihn verhören?«
»Ja. Deswegen sind wir gekommen. Wir werden sofort ein Protokoll aufsetzen und die Akten fertigmachen. Von mir aus kann der junge Horace noch heute ans Bezirksgericht in die Stadt überstellt werden.«
»Ich habe auch nichts dagegen«, sagte Plachnow. »Je früher ich ihn los bin, um so besser.«
Wir setzten uns und knobelten aus, wer das Tippen des Protokolls zu übernehmen hätte. Ich hatte Glück, denn Phil verlor und mußte sich an den alten Klapperkasten setzen, der mit einer Schreibmaschine eine entfernte Ähnlichkeit hatte.
Das Verhör ergab nichts Neues. Der junge Horace versuchte natürlich, die Ermordung des Juweliers dem toten Freund in die Schuhe zu schieben. Vielleicht war es der auch tatsächlich gewesen. Diese Frage mußten wir im Protokoll offenlassen. Da Komplice und Opfer tot waren, würde es vermutlich unmöglich sein, die Frage dieser Täterschaft je zu klären. Es machte keinen großen Unterschied. Die Geschworenen sahen denn auch später eine Beteiligung am Mord als erwiesen an und verurteilten Dean Horace zu 15 Jahren Zuchthaus. Aber das war viel später.
Mittags, als das Verhör schon abgeschlossen war, sagte ich: »Es kann nicht schaden, wenn wir den Akten das Protokoll der ärztlichen Untersuchung beifügen. Mach deinen Bericht zu Ende! Ich werde mich inzwischen mal nach dem Doc umsehen, der gestern die Untersuchung vornahm. Er versprach zwar, das Protokoll sofort herüberzuschicken, sobald seine Sprechstundenhilfe bei ihm erscheinen würde, aber…«
»Du vergißt«, warf Phil ein, »was gestern anscheinend auch der Doktor vergessen hat! Daß nämlich Sonntag war, weswegen die Sprechstundenhilfe gar nicht erwartet werden konnte.«
»Ach ja, das ist wahr. Ich habe das Gefühl für Zeitrechnung verloren. Wann haben wir eigentlich den letzten Sonntag gehabt, der wirklich auch für uns ein Sonntag war?«
Phil grinste schwach: »Erinnere mich nicht an ein geregeltes Leben! Sieh lieber zu, daß du deinen Doc und sein Protokoll auftreibst! Ich bin mit meinem Bericht gleich fertig.«
Lilianwos bestand außer einigen Gassen vor allem aus der breiten Hauptstraße, die in Längsrichtung durch das Dorf lief. Ich bummelte sie ein Stück entlang und hielt Ausschau nach dem Sheriff, der vor einer Viertelstunde sein Office verlassen hatte, weil er sich ein Paket Tabak besorgen wollte.
Zu guter Letzt hielt ich einen Milchmann an, der mit einem kleinen
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