019 - Der Sarg des Vampirs
Restaurationsarbeiten vorgenommen werden
sollten, die jeden Besucherverkehr unmöglich machten.
Das war eine Ausrede, das war nicht der Grund.
Larry Brent war gekommen, um mehr darüber zu erfahren, doch vor allen
Dingen, um eine tödliche Gefahr zu beseitigen, die angeblich den beiden
Töchtern des Herzogs drohte. Die Nachrichten, die ihm übermittelt worden waren,
enthielten nur das Notwendigste. Er wusste, dass es um ein geheimnisvolles Grab
in dieser Gegend ging, in dem sich der Sarg eines Vampirs befinden sollte.
»Die Bibliothek, mein Herr«, sagte der Diener an seiner Seite.
»Der Herzog erwartet Sie.« Er öffnete dem PSA-Agenten die Tür.
Larry sah in einen düsteren Raum, in dem alte, kostbare Möbel standen,
dunkle Regale, die bis unter die Decke reichten und mit Büchern gefüllt waren –
unter ihnen wertvolle Sammelwerke.
In einem schweren Ledersessel saß der Herzog. Er war schmal gebaut und
hatte ein markantes Gesicht, dem die dichten Augenbrauen vorherrschten.
Vereinzelt zeigten sich darin graue Schattierungen, ebenso in dem dichten
gewellten Haar.
»Ich begrüße Sie in meinem Haus, Mister Brent. Ich freue mich, dass Sie
gekommen sind, und ich hoffe, dass Sie eine angenehme Reise hatten.«
»Danke der Nachfrage. Ihr Chauffeur hat mich im Hotel abgeholt und
wohlbehalten hier abgesetzt.« X-RAY-3 erwiderte den Blick der dunklen, ernsten
Augen. Er sah darin die Unsicherheit, die Verwirrung und die unaussprechliche
Angst, unter der dieser Mann stand.
»Francesca! Francesca?!«
●
Irene schluckte. Sie fühlte sich mit jeder Sekunde, die verstrich, unwohler
in ihrer Haut.
Warum antwortete die Freundin nicht? Hatte sie sich inzwischen so weit
entfernt, dass sie die Rufe nicht mehr erreichten?
Da hörte sie einen Schrei, der ihr durch Mark und Bein ging – es war Francescas
Stimme. Und die war ganz nah, als käme sie aus der Tiefe des unbekannten,
geheimnisvollen Grabes.
Als ob der Teufel hinter ihr her wäre rannte Irene davon.
Zweige streiften ihr Gesicht, wenn sie zu dicht an den Bäumen entlang lief.
Schmerzhaft fühlte sie die Kratzer auf ihrer Haut und spürte das warme Blut,
das über ihre Wangen lief. Sie hörte Francescas nächsten Schrei, und stürzte
wie von Sinnen weiter, obwohl sie nicht wusste, wie sie den Weg erreichen
sollte, der aus dem Wald hinausführte. Sie sah nur die dämmrige Lichtung, das
gewaltige Massiv der Sierra de Guadalupe und spürte instinktiv, dass sie dem
schmalen Weg über die Lichtung folgen musste, um in die Nähe des kleinen Dorfes
zu kommen, das Francesca ihr auf der Karte gezeigt hatte.
Sie musste das Dorf erreichen, Hilfe holen, etwas für Francesca tun ...
Ihre Beine trugen sie mechanisch vorwärts. Wenn sie fiel, rappelte sie sich
schluchzend wieder auf. Ihre Kräfte drohten nachzulassen, doch sie gab nicht
auf. Es dämmerte bereits, und der Wettlauf mit der Zeit zehrte an ihren
Kräften.
Die Dunkelheit um sie herum schien zu leben und zu atmen. Irene war nicht
mehr fähig, die Dinge mit klarem, nüchternem Verstand zu erfassen. Sie begriff
nur, dass etwas Entsetzliches, etwas Unfassbares geschehen war.
Sie ahnte nicht, dass dies nur der Auftakt gewesen sein sollte!
●
In der Bibliothek war es angenehm kühl. Die Lichtverhältnisse schafften
eine beruhigende Atmosphäre. Die Stille wurde nur durch das monotone Knacken
einer hölzernen Uhr aus dem Jahr 1320 unterbrochen, deren Pendel rhythmisch hin
und her schwang. Die beiden quadratischen Gewichte zu beiden Seiten bestimmten
das Tempo.
Alles in diesem Haus war selten, kostbar und unersetzlich. Es war der
Reichtum eines uralten Geschlechtes.
Der Herzog de Avilla rauchte eine Pfeife. Neben
ihm, auf dem handgeschnitzten Tisch in der Fensternische, standen zwei gefüllte
Cognacgläser und eine Karaffe. Durch das Fenster konnte man einen Blick auf die
nahen Berge werfen, die deutlich hinter der Mauer aus Zypressen und Pappeln zu
erkennen waren. Der Abend kündigte sich mit einem düster werdenden Himmel an.
Herzog de Avilla begann mit seinem Bericht. Er
hatte um Schutz gebeten, und die spanischen Behörden, die die unheimlichen
Vorkommnisse der Vergangenheit bis zur Stunde nicht aufklären konnten, waren
über einen Geheimkanal des Außenministeriums an die PSA herangetreten.
Während der Herzog sprach, konnte sich Larry ein Bild von den geschilderten
Personen machen, denn er hatte ein großes Album vor sich liegen. Die
Angelegenheit betraf die Familie des Herzogs – aber
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