0190 - Ein schwarzer Tag in meinem Leben
was auch Corinna dachte.
Die Werwölfin nickte. Sie zitterte dabei. Auf ihrer Haut wuchsen plötzlich längere rotblonde Haare, so sehr stand sie unter Strom. Sie hatten eine starke Niederlage erlitten, aber noch waren sie nicht ausgeschaltet. Sinclair hatte nur die Hälfte von ihnen töten können, die anderen beiden lebten noch.
Sie mußten kriechen. Vor ihnen lag eine enge Betonröhre, die nachträglich angelegt worden war – und den Verbindungsgang zu den Abwasserkanälen von Clichy darstellte.
Violetta kroch vor. Es war nicht völlig dunkel, denn am Ende der Röhre schimmerte ein schwaches Licht. Nur ein hauchdünner, kaum wahrnehmbarer gelber Schein, aber immerhin ein Fixpunkt für die beiden Flüchtlinge.
Aufgeben wollte sie nicht. Der Haß auf John Sinclair war zu groß.
Irgendwie würde sich schon eine Möglichkeit finden, sich an ihm zu rächen.
Es störte sie nicht, daß der Boden der Röhre mit Schlamm bedeckt war. Auf Sauberkeit brauchten die beiden nicht zu achten, sie wollten sich nur so rasch wie möglich in Sicherheit bringen.
Am Ende der Röhre erreichten sie einen der Gänge, durch den bei starkem Regen das Ab und Schmutzwasser floß. Jetzt lag nur eine knöcheltiefe Schlammschicht auf dem Boden.
Dadurch wateten sie.
Das Fauchen des Feuers hörten sie schon längst nicht mehr.
Dafür jedoch ein Rauschen, das die Nähe eines Hauptkanals anzeigte. Sie befanden sich also mittendrin.
Violetta Valeri lachte auf. »Wir schaffen es!« knirschte sie.
»Verdammt, wir schaffen es. Und dann sieh dich vor, John Sinclair. Sieh dich vor!«
Beide Wesen waren von einem wilden, unkontrollierten Haß besessen, der wie eine Triebfeder wirkte.
Sie erreichten den breiten Kanal.
Fließendes Wasser birgt für Vampire Gefahren!
So steht es seit altersher geschrieben, aber galt das auch für die heutige Zeit?
Die Valeri wollte es nicht ausprobieren. Zudem führte der Kanal relativ wenig Wasser, und die Gehstreifen an beiden Seiten waren breit genug.
Sie nahmen den linken. Hintereinander schritten sie her. Denn sie wollten unbedingt einen Aufstieg erreichen, um aus diesem verdammten Gang herauszukommen.
Es dauerte nicht mehr lange.
An einer Kanalkreuzung sahen sie eine Nische. Sie drückten sich hinein und schauten nach oben.
Sprossen, dick und mit Rost besetzt, führten vor ihren Augen in die Höhe und verschwammen im Dunkel.
»Das ist es«, sagte die Valeri.
»Sollen wir sofort?« fragte Corinna Camacho und faßte bereits nach der ersten Sprosse.
»Nein, wir warten.«
»Und das Tageslicht?«
Die Vampirin hob die Schultern. »Es ist nicht mehr so wie früher. Ich bin«, und jetzt grinste sie, »ein moderner Vampir, der auch bei Tageslicht überleben kann. Zwar ein wenig geschwächt, aber immerhin. Wir müssen nur noch abwarten, bis alle verschwunden sind. Das Haus brannte. Sicherlich wird es untersucht. Von Feuerwehr und Polizei. Aber sie werden nichts finden. Wenn sie weg sind, dann ist unsere Zeit gekommen.«
Corinna nickte. Ihre Freundin hatte recht. Sie durften jetzt kein Risiko eingehen.
Also warteten sie.
In ihren Köpfen jedoch spukte nur ein Name herum.
John Sinclair!
***
Die beiden weiblichen Dämonen hatten es tatsächlich geschafft.
Sie waren unerkannt verschwunden und hatten sich tagsüber in den Wäldern um Clichy versteckt.
Dort brüteten sie ihren Racheplan aus.
Zuerst mußten sie nach London, denn da lebte ihr verhaßter Gegenspieler.
Aber wie hinkommen?
Es würde eine lange Reise werden, und sie besaßen kein Geld.
Zudem waren sie nicht mit den magischen Mitteln gesegnet wie höhere Dämonen. Sie konnten durch Zeitsprünge keine großen Entfernungen überbrücken, sie waren keine Meister, sondern nur Lehrlinge, wenn man sie in eine Klassifizierung einstufen sollte.
Und mit Lady X konnten sie sich auch nicht in Verbindung setzen. Die war geflohen. Wohin, das wußte weder Corinna Camacho noch Violetta Valeri.
Zuerst brauchten sie Geld.
Da sie keins besaßen, mußten sie es sich besorgen. Für beide Frauen stellte dies kein Problem dar. An der Straße, die nach Paris führte, bauten sie sich in den späten Vormittagsstunden auf.
Zwei Anhalterinnen, und dann noch so gut aussehend, da würde fast jeder Mann stoppen. Gereinigt hatten sie sich, so gut es ging.
Es war kühler geworden. Ein richtiger Herbsttag. Auch leicht trübe. In der Ferne, wo die Straße in das große Häusermeer der Millionenstadt mündete, verschwamm die Fahrbahn im Dunst.
Fahrzeuge rauschten
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