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0197 - Mörder im Chinesenviertel

0197 - Mörder im Chinesenviertel

Titel: 0197 - Mörder im Chinesenviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mörder im Chinesenviertel
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aufhörte.
    Wir stiegen aus und wurden von dem Mädchen ein paar Stufen hinangeführt. Durch eine kleine, windschiefe Tür ging es in einen düsteren Flur. Von jetzt ab versagte sogar unser geschulter Ortsinstinkt. Es ging ein paar Stufen hinab, um Ecken und Biegungen, wieder Stufen hinan und mal rechts, mal links in Abzweigungen hinein, wobei wir uns immer wieder an spielenden Kindern vorbeischieben mußten, von denen es ganze Heerscharen zu ffeben schien, bis das Mädchen schließlich eine Tür aufschloß und uns mit einem Neigen des Kopfes zum Eintreten aufforderte.
    Wir gelangten in einen Raum, der spartanisch einfach, aber nach abendländischem Geschmack eingerichtet war. Auf dem Boden lag eine Strohmatte. Vier hohe Lehnstühle standen rings um einen viereckigen Eßtisch. Links gab es eine Anrichte, rechts einen hohen, altmodischen Schrank. Der Tür gegenüber befand sich ein winziges Fenster, unter dem eine Couch stand. Rechts davon, in einer Ecke, war ein seltsamer Aufbau, von bunten Tüchern und kleinen Wandteppichen verkleidet. Tücher und Teppiche zeigten bizarre Drachenmuster und orifamentartige Linien. Ein eigenartiger Geruch ging von dieser Ecke aus. Vermutlich stammte er von Räucherstäbchen, denn wir sahen einige davon auf einem winzigen Tablett liegen, das aus getriebenem Silber zu bestehen schien.
    »Bitte, nehmen Sie doch Platz«, sagte das Mädchen.
    Wir setzten uns auf die Stühle, während sie durch eine Seitentür verschwand. Es dauerte nicht eine Minute, bis sie wieder erschien und eine Fotografie vor uns auf den Tisch legte.
    Die Fotografie war offenbar in einem Zoologischen Garten aufgenommen. Im Hintergrund erkannte man zwei Elefanten, die mit ihren Rüsseln bettelnd über einen Wassergraben hinwegreichten. Vorn im Mittelgrund des Bildes stand ein Chinese mit einem jungen Mädchen. In dem Mädchen konnte man auf dem ersten Blick Miß Li-Tschou erkennen. Und das Gesicht des Mannes kam uns auch bekannt vor Es war mit größter Wahrscheinlichkeit jener Mann, der jetzt tot im Leichenschauhaus lag.
    ***
    »Möchten Sie eine Zigarette rauchen?« fragte Phil, als wir mit dem Mädchen in unserem Office im Distriktsgebäude angekommen waren.
    Sie schüttelte stumm den Kopf. Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Phil hatte ihr die Nachricht vom Tod ihres Vaters so schonend wie möglich beigebracht, aber ein Schock war es für sie trotzdem. Ihr Gesicht hatte eine maskenhafte Starre angenommen. Wir hatten damit gerechnet, daß sie weinen würde. Nichts dergleichen. In statuenhafter Reglosigkeit saß sie auf dem Bürostuhl vor unseren beiden Schreibtischen, blickte vor sich hin und gab keinen Laut von sich.
    Ich telefonierte mit unserem Arzt und ließ eine Stenotypistin kommen. Während die Frau im Hintergrund Platz nahm und ihren Stenogrammblock sowie ein paar gespitzte Bleistifte zurechtlegte, flüsterte Phil mit dem Arzt. Er sah das Mädchen an, fühlte ihren Puls, was sie gleichgültig über sich ergehen ließ, und zuckte die Achseln.
    »Sie hat eine unglaubliche Selbstbeherrschung«, raunte der Doc uns zu. »Ich glaube nicht, daß es nötig ist, ihr eine Beruhigungsspritze zu geben. Sollte sie aber doch noch die Kontrolle über sich selbst verlieren, rufen Sie mich. Ich bin im Hause.«
    Wir warteten, bis er gegangen war. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, nickte ich der Sekretärin zu. Sie nahm einen Bleistift und erwiderte mein Nicken. Sie war also bereit.
    »Miß Li-Tschou«, fing ich unsere Vernehmung an, »Ihr Vater ist einem Herzschlag erlegen. Wußten Sie, daß er schwer herzleidend war?«
    Sie hob den Kopf. Ihre Stirn zeigte tiefe Falten, als bereite es ihr Mühe, meine Wortg zu verstehen. Schließlich aber nickte sie und sagte leise:
    »Ja, natürlich, das war mir bekannt.«
    »Wußten Sie auch, daß Ihr Vater jede große Erregung tunlichst vermeiden sollte?«
    »Der Arzt hat es uns immer wieder eingeschärft.«
    »Ihr Vater wußte es also auch?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Wer wußte sonst noch vom Herzleiden Ihres Vaters?«
    Sie sah mich mit einem Ausdruck der Hilflosigkeit an und zuckte die Achseln.
    »Jeder von unseren Bekannten. Mein Vater trank keinen Alkohol, keinen Kaffee, er verziqhtete sogar auf den Tee. Für einen Chinesen bedeutet das' viel. Natürlich wunderten sich unsere Bekannten darüber, und so mußten wir ihnen eine Erklärung abgeben. Mein Vater sagte ihnen die Wahrheit, weil er dadurch sicher sein konnte, daß es niemand mehr versuchen würde, ihn

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