0197 - Mörder im Chinesenviertel
schwer und wuchtig aufschlug.
Die Schwester des Rechtsanwaltes hatte dem ganzen Schauspiel zugesehen, ohne mit einer Wimper zu zucken. Sie kam ihrem Bruder auch nicht zu Hilfe, als dieser sich ächzend aufzurichten versuchte.
Jaroslav half ihm. Als der Anwalt wieder in seinem Stuhl saß, stieß er schnaufend hervor:
»Bindet diesen Idioten an den Schrank dort! Wir müssen herauskriegen, was auf einmal in ihn gefahren ist. Ich habe Ihnen gleich gesagt, Jaroslav, daß Sie diesem Bullen nicht' trauen können. Aber Sie wußten es ja besser! Jetzt haben wir das Theater!«
Jaroslav nagte an seiner Unterlippe. »Hör zu, Gibson!« knurrte er. »Du siehst zu, daß du den Kerl wieder zurück ins Bewußtsein kriegst, sobald du ihn an den Schrank gebunden hast. Und dann drehen wir ihn durch die Mangel. Ich will wissen, woran ich mit diesem Hund bin! Und wenn wir ihn totschlagen müssen!«
***
Als ich das Tor leise aufdrückte, quietschte es. Der Laut verursachte uns einen Schauer, der uns den Rücken hinablief. Wahrscheinlich war es nur ein ganz leises Quietschen gewesen, aber in der tiefen, nächtlichen Stille, die ringsum herrschte, hörte es sich enorm laut an.
Wir warteten regungslos.
Nichts geschah. Stille herrschte. Irgendwo in der Ferne pfiff eine Lokomotive. Er hörte sich an wie ein Geräusch aus einer andexen Welt.
Ich zählte im stillen bis zweihundert. Dann huschte ich auf Zehenspitzen durch den Türspalt auf den Hof, der sich dahinter öffnete. Rechts lag die Fabrik. Links das kleinere Verwaltungsgebäude.
Aus einem Fenster im Erdgeschoß fiel Licht. Wir drückten uns dicht an die Wand und peilten die Lage. Ein paar Schritte nur von uns entfernt standen der Buick und ein roter Cadillac.
»Augenblick!« raunte ich Phil zu.
Auf Zehenspitzen huschte ich geduckt zu den Wagen. Ich richtete es so ein, daß ich auf der dem Haus abgewandten Seite an die Fahrzeuge herankam. Wie ich es mir gedacht hatte, waren die Wagen nicht abgeschlossen. Und in dem Buick stak der Zündschlüssel. Ich zog ihn ab und ließ ihn in meine Hosenlasche gleiten. Beim Cadillac war der Schlüssel leider abgezogen.
Als ich zu Phil zurückkam, instruierte ich ihn rasch von dem, was ich getan hatte.
»Gut«, war sein einziger Kommentar. Wir tasteten uns an der Wand entlang näher an das erleuchtete Fenster heran. Die Burschen fühlten sich so unglaublich sicher, daß es beinahe eine Beleidigung für die Polizei war.
Knapp vor dem Fenster stießen wir auf eine Tür. Ich drückte die Klinke. Die Tür ging nach innen auf.
Wieder verharrten wir und lauschten. Leises Stimmengemurmel drang an unser Ohr. Im Flur sah man rechts den Lichtschein, der unter einer Tür hervorlugte. Aber es war nicht zu verstehen, was in diesem Raum gesprochen wurde.
Wir tasteten uns ins Haus. Millimeterweise schoben wir uns voran, nachdem wir vor jedem Schritt mit den Füßen den Boden abgesucht hatten, um nicht plötzlich gegen irgend etwas in der Finsternis zu stoßen.
Als wir dicht bei der Tür waren, hörten wir ein Geräusch, das wir nur zu gut kannten. Es war ein trockenes, kräftiges Klatschen, dem ein nur halb unterdrücktes Stöhnen folgte.
Ich preßte das Ohr gegen den winzigen Spalt zwischen Tür und Füllung.
»…was gemacht?« schrie eine wütende Stimme. »Los, Mann, rede oder wir prügeln dich halbtot!«
Und auf einmal hörte ich die-Stimme des Holländers. Sie klang gepreßt, aber es war ganz unverkennbar seine Stimme.
»Ich war beim FBI!« sagte er, und man hörte, daß er stolz darauf war. »Ich habe alles gesagt, was ich wußte. Jetzt, in diesen Minuten, sind alle eure Opiumhöhlen längst ausgehoben!«
Auf einmal herrschte Totenstille. Dann sagte eine Frau:
»Glaubst du, das?«
»Ach. Unsinn! Der Kerl will sich wichtig machen oder uns Angst einjagen oder sonstwas!«
»Versucht es doch mal!« rief Vermoeren. »Ruft doch eine einzige von euren Lasterhöhlen an! Da werdet ihr's ja sehen!«
»Vielleicht solltest du tatsächlich mal eine anrufen«, sagte wieder die leidenschaftslose Stimme der Frau, die so kalt und unbeteiligt klang, als gehe sie das alles gar nichts an.
»Ich halte es für Blödsinn, aber immerhin, wenn du darauf bestehst. Augenblick. Ich rufe mal an.«
Lange Zeit blieb es still. Dann sagte der Mann:
»Ja, hallo, wer ist denn da?«
Ich mußte unwillkürlich grinsen. Welchen Laden er auch immer angerufen haben mochte, derjenige der sich jetzt gemeldet hatte, mußte einer von unseren Männern sein, denn wir hatten ja
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