0198 - Wir rammten die Luftpiraten
einen Blick werfen lassen. Nun kannte ich mich aus!
Nach einer weiteren Tür, die ebenso sorgfältig geölt war wie alle anderen, stand ich im Vestibül. Durch die Tür zur linken Hand ging es in den Salon, in dem ich mich so angeregt mit Miller unterhalten hatte; er interessierte mich vorerst nicht.
Weit wichtiger war mir das Büro, das rechts gelegen war. Blitzschnell ließ ich den schmalen Lichtschein der Taschenlampe kreisen. Die schweren Vorhänge an den Fenstern waren zugezogen. Vor allem anderen zog mich der wuchtige Schreibtisch an. Ich legte die Null-acht griffbereit auf die Tischplatte, suchte in meinem Besteck nach einem passenden Werkzeug, und in weniger als einer Minute waren sämtliche Schlösser aufgesperrt. Rasch kramte ich die einzelnen Papierstöße durch, aber ich fand nichts als unverdächtige Geschäftskorrespondenz der Firma Miller mit allen Teilen der Welt. In der untersten Schublade stieß ich auf private Kontoaufzeichnungen. Damit ließ sich unter Umständen etwas anfangen. Selbstverständlich war ich nicht in der Lage, in der kurzen mir zur Verfügung stehenden Zeit die einzelnen Posten nachzuprüfen. Mir persönlich hätten diese Ziffern auch nicht viel gesagt. Aber für die Steuerfahndung waren sie sicher interessant. Wie Sie wohl wissen, gelang es uns in verschiedenen Fällen nur auf dem Umweg einer Anklage wegen Steuerhinterziehung einen geriebenen Gangster, dem sonst nichts nachzuweisen war, hinter Schloß und Riegel zu bringen. (Denken Sie nur an Al Capone.) Nun konnte ich die langen Zahlenkolonnen weder abschreiben, noch wollte ich das Heft mitnehmen.
Ich schaltete die Schreibtischlampe ein, richtete ihren Schein genau auf das Kontoheft und zog meine lichtstarke Mikrokamera aus der Tasche. Innerhalb einer Minute hatte ich den Inhalt des Heftes vollständig auf dem Film. Bevor ich die Schreibtischlampe löschte, ließ ich meine Blicke mehrmals in dem Büro rundgehen.
Es war sinnlos und zu zeitraubend, alle Winkel, die Aktenschränke und sämtliche Karteikästen durchzustöbern. Geraume Zeit stand ich regungslos im Dunkeln und versuchte, die Atmosphäre des Büros in mir aufzunehmen. Ich stellte mir vor, wo ich wohl in diesem Raum etwas Verdächtiges versteckt haben würde. Vielleicht in dem mannshohen Tresor dort in der Ecke? Bei der oberflächlichen Untersuchung seines Kombinationsschlosses mußte ich mich überzeugen, daß ich diesen Kasten auch mit meinem hübschen Besteck niemals würde knacken können. Vorsorglich merkte ich mir die Herstellerfirma, des Tresors und die eingestanzte Nummer des Schlosses.
Hinter den hypermodernen Wandbildern nach einem Versteck zu suchen, ersparte ich mir. Dort haben allenfalls romantisch veranlagte ältere Damen ihre Liebesbriefe aus besseren Zeiten verborgen. Auch Bücherschränke mit Bücherattrappen und drehbaren Einsätzen sind ein längst überholtes Requisit; sie dienen heutzutage höchstens noch heimlichen Säufem als Versteck für ihre Whiskyvorräte, die sie vor den wachsamen Augen der Gemahlinnen verheimlichen wollen.
Plötzlich blieben meine Augen an der dickgepolsterten Tür im Hintergrund des Büros hängen. Irgend etwas daran schien mir verdächtig, zumindest auffällig. Fast gleichzeitig wußte ich auch, was mir daran so merkwürdig vorkam. Wieso war hier eine schalldichte Tür, während zum Vestibül eine ganz gewöhnliche Tür war?
Mit untrüglicher Sicherheit fühlte ich, daß die dicke Polsterung mit irgendeinem Geheimnis Zusammenhängen mußte! Unverzüglich begann ich, die Tür zu untersuchen. Noch fünfundzwanzig Minuten hatte ich Zeit. Nun machte es sich bezahlt, daß ich den Kollegen mitgeteilt hatte, daß ich mich alle fünfundvierzig Minuten melden wolle, und nicht alle dreißig, wie ich zuerst mit Phil ausgemacht hatte.
Systematisch klopfte ich die Polsterfüllung ab und vernahm einen hohlen Klang. Sie werden mich sicher verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß mich diese Feststellung geradezu elektrisierte. Kennen Sie eine schalldichte Türfüllung, die hohl klingt?
Zoll für Zoll leuchtete ich die Ränder der Polsterung ab, konnte aber nichts Auffälliges, etwa einen Spalt oder einen verborgenen Druckknopf oder Hebel, entdecken. Dann stachen mir die blanken großköpfigen Nägel, jnit denen das Leder an den Rahmen geheftet war, in die Augen. Versuchsweise drückte ich auf die Nagelköpfe. Schon beim dritten knackte es kaum hörbar. Jetzt tat sich ein Spalt auf, und ich konnte die ganze Füllung bei geschlossener
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