0199 - Hyänen für den Henker
unwahrscheinliches Glück, aber warum sollten wir nicht auch mal Glück haben?
Die Gangster hatten davon bisher schon viel zu viel gehabt.
Wir fanden den Fleischer in Nummer 197 nahe Stuyvesant Square.
Es war ein kleiner, blonder Mann, der in blauweiß gestreifter Jacke und schwarzer Fliege hinter dem Ladentisch stand. Als wir eintraten, zuckte seine Hand nach der halb geöffneten Schublade.
»Guten Tag, Mister Hofman«, sagte ich. »Lassen Sie Ihr Schießeisen ruhig liegen.«
Dann zeigte ich ihm meinen Ausweis.
»Sie wünschen?«, fragte er, mit einem scheuen Blick nach der Tür.
»Können wir Sie einen Augenblick unter vier Augen sprechen?«
»Tun Sie besser so, als ob Sie was kaufen. Ich weiß, dass ich dauernd beobachtet werde«, war seine Antwort.
»Gut, dann geben Sie uns etwas, was möglichst viel Zeit in Anspruch nimmt, damit wir uns dabei unterhalten können.«
Dem Akzent des Mister Hof man konnte man anhören, dass seine Eltern Deutsche waren, und das zeigte auch die ausgestellte Wurst. Eine richtige Wurst kann anscheinend nur ein deutscher Schlachter machen.
»Vor allem möchte ich von diesem ganzen Zeugs da, je drei oder vier Unzen. Schneiden Sie es bitte mit der Hand. Erstens schmeckt es besser, und zweitens dauert es länger. Von wem wurden Sie erpresst?«
»Das weiß ich nicht«, sagte er, ohne aufzublicken und fast ohne die Lippen zu bewegen. »Jeden Freitag, nach Feierabend, kam ein Kerl und holte sich fünfzig Dollar. Zuerst habe ich ihn rausgeworfen und ihm mit der Polizei gedroht, aber dann erschien er eines Tages mit noch zwei anderen und fragte mich, ob ich noch niemals was von dem Syndikat gehört hätte. Mein Geschäft ginge zum Teufel, wenn ich nicht den Mund hielte und nicht spuren würde.
›Bei der Polizei haben wir Freunde, genauso wie unter den G-men‹, sagte er. ›Damit können Sie uns nicht drohen.‹
Ich zahlte ein paar Mal, und dann wurde es mir zu bunt. Ich meldete die Sache beim zuständigen Polizeirevier in der Second Avenue, und dort beruhigte man mich. Man versprach außerdem, an Freitagen ein besonderes Auge auf meinen Laden zu haben. Leider war es kein Freitag, sondern der vorherige Donnerstag, als es passierte. Ich hatte gerade abgeschlossen, aber die Tür noch nicht 22 versperrt, als plötzlich sechs Kerle im Laden standen, denen ich sofort ansah, dass sie nichts Gutes im Schilde führten. Ich griff nach dem Beil hier, aber der eine zog die Pistole und drohte, er würde mich beim geringsten Widerstand über den Haufen knallen. Dann warfen sie in aller Ruhe sämtliches erreichbares Fleisch und die Wurst in ein paar Körbe und trugen sie hinaus in einen großen Wagen. Nur zwei Mann blieben zurück, und einer von denen leerte zum Schluss auch die Kasse aus. Dann rief er nach draußen: »Ist alles fertig?«, worauf sie die gläsernen Tresen und die Kühlvitrine zertrümmerten. Beim Weglaufen feuerte der Kerl noch einen Schuss durch die Schaufensterscheibe.
Bis Hilfe kam, waren sie natürlich weg. Gewiss, meine Versicherung hat alles bezahlt, aber ich habe eine Menge Kunden verloren. Die Leute meinen, sie wären in meinem Laden nicht mehr sicher.«
»Und haben Sie dann wieder bezahlt?«
»Bis jetzt war noch niemand wieder hier, aber es ist ja heute erst Mittwoch. Morgen oder übermorgen rechne ich damit, dass die Schweine wieder kommen, aber diesmal schieße ich zuerst. Mein Vater hat mir gezeigt wie man das macht. Sehen Sie hier.«
Sein Schießeisen war eine kurz abgesägte Jagdflinte. Wenn er die abfeuerte, würde die Schrotladung jeden erwischen, der im Laden stand. Jedenfalls macht der Mann mir Spaß. Er war einer der wenigen, die sich nicht einschüchtern ließen.
Wenn sie nur alle so wären, dachte ich, dann könnte das Syndikat einpacken.
»Mein Kompliment, Mister Hofman«, sagte ich und nahm das gewichtige Wurstpaket in Empfang. »Wir werden dafür sorgen, dass Sie gegebenenfalls nicht ohne Unterstützung bleiben.«
»Aber wie kann ich denn die Gangster von den G-men unterscheiden?«, fragte er bedenklich.
»Ein kluger Einwand. Unsere Leute werden sich so kleiden, wie man sich im Volk einen G-man vorstellt. Sie werden alle blaue Zweireiher tragen.«
Ich nahm die Brieftasche heraus, legte einen Schein auf den Tisch und meine Karte dazu.
»Danke schön«, sagte er und gab das Wechselgeld heraus. »Wenn nötig, werde ich Sie anrufen.«
***
Es war vier Uhr, als wir ins Office zurückkamen. Bis jetzt waren einhundertsiebenunddreißig
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