0199 - Hyänen für den Henker
ich schlitternd und mit quietschenden Reifen stoppte, kam mir ein Lieutenant im Laufschritt entgegen.
»Vor einer Viertelstunde stürmte eine Bande von zwanzig Mann den Fleischerladen. Sie warfen Handgranaten und feuerten aus Maschinenpistolen. Der Fleischer und seine Frau waren sofort tot. Als die Banditen so schnell wie sie gekommen waren, in drei Wagen wieder abbrausen wollten, trafen Ihre Leute ein. Auch eine unserer Patrol Cars war in der Nähe. Die gab Großalarm, da eine Maschinengewehrgarbe den Sprechfunk im FBI-Wagen außer Betrieb gesetzt hatte. Zwei Wagen konnten entkommen; einer fuhr an der Ecke von Wannemaker Street gegen einen Bus, überschlug sich und brannte aus. Die Insassen sind tot. Die vier Männer im letzten Wagen wehrten sich verzweifelt, aber es gelang uns, zwei davon lebend zu erwischen. Einer hegt wahrscheinlich bereits im Gefängnislazarett. Der zweite ist noch hier.«
»Und was ist mit unseren Leuten?«
»Alle drei leicht verletzt. Der Arzt ist gerade dabei, sie zu versorgen.«
»Wo ist der gefangene Gangster?«
Der Lieutenant führte uns hinüber zu dem Kommandowagen. Auch unsere Leute waren inzwischen angekommen und hatten sich unter die Cops gemischt.
In dem Wagen hockte, mit Handschellen versehen, ein alter Bekannter. Er hieß Tim Post und hörte auf den Spitznamen Sweet Tim.
Wir hatten ihn vor drei Jahren wegen Bandenüberfalls vor Gericht gebracht. Soweit ich mich erinnerte, hätte er noch sitzen müssen, aber man hatte ihn, wie das so üblich ist, wegen guter Führung und auf Empfehlung des Gefängnisgeistlichen, vorzeitig entlassen.
»Na, Tim! Diesmal wirst du nicht so glimpflich davonkommen! Diesmal kommst du wegen Mord dran!«, sagte ich, und da erhob der Kerl ein großes Geschrei.
Er behauptete, zufällig vorbeigegangen zu sein und von der ganzen Sache nichts zu wissen.
»An alledem sind die Cops schuld«, beklagte er sich. »Als ich den Krawall hörte, wollte ich mich schnell verdrücken, aber da hatten sie mich schon beim Kanthaken. Es ist eben immer derselbe Jammer: wenn man vorbestraft ist, dann soll man es immer gewesen sein.«
»Du bist wirklich zu bedauern«, meinte ich ironisch.
Die Aussage des alten Gangsters, er sei vollständig unschuldig in diese Situation geraten, stand allerdings entgegen, dass er eine Lueger im Halfter und eine Eierhandgranate in der Jackentasche trug.
Das würde genügen, um ihm das Genick zu brechen.
Der andere, der im Krankenhaus lag, war ein junger Bursche. Vorläufig war er nicht vernehmungsfähig. Er hatte einen Streifschuss am Kopf und war ohne Besinnung.
***
Es war uns nicht gelungen, den Mann, den ich wegen seines Mutes hoch geachtet halte, zu schützen.
Als wir den Schauplatz verließen, hatte ich jedenfalls eine Mordswut.
Unsere beiden Bereitschaftswagen mit einer Besatzung von achtzehn Mann nahmen wir mit. Jetzt war das Café Bohemia an der Reihe.
Dieses Mal fuhren wir in gemächlichem Tempo und ohne Sirene. Wenn drei Polizeiwagen mit Rotlicht und Sirene ins Böhmenviertel einfahren, erfährt das dreißig Sekunden später die ganze Bevölkerung. Und jeder, der einen Grund dazu hat, verschwindet in einem Mauseloch, von denen es dort leider mehr als genug gibt.
Zuerst riegelten wir die 76. Straße zwischen First und Second Avenue unauffällig ab. Je zwei Mann mit einer MP genügten. Dann stoppten wir vorsichtig zwanzig Meter vor dem Lokal entfernt.
Die Musjc-Box plärrte noch lauter als sonst, aber im Übrigen war es merkwürdig still. Phil und ich traten ein. Sechs unserer Leute drückten sich durch den Torbogen in den Hof, und der Rest wartete vor der Tür.
Das Lokal war fast leer. Vor allem der Klub oder besser: die Gang glänzte durch Abwesenheit. Wir stellten uns an die Theke und verlangten je einen doppelten Scotch. Der Wirt kam mir heute eigenartig und übernervös vor.
Er suchte nach der Flasche mit Johnnie Walker, obwohl sie direkt vor seiner Nase stand. Die Gläser klirrten, als er sie niedersetzte, und beim Eingießen schüttete er daneben. Er schien vollkommen durcheinander zu sein.
»Kein Geschäft heute«, meinte mein Freund.
»Kein Geschäft«, echote er, und dann stützte er sich auf die Theke und blickte mich geradezu flehentlich an. »Bitte, gehen Sie! Ich will Sie beileibe nicht hinauswerfen, aber seien Sie so nett und gehen Sie!«
Das war ein Ton, den ich nicht erwartet hatte.
Wäre er frech geworden, ich hätte das begriffen, aber diese von Furcht geschüttelte Stimme versetzte mir einen
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