0199 - Phantom der Lüfte
verdunkelte sich der Himmel. Ein dumpfer, rollender Donnerschlag zerriß die Stille. Das Bild der brettflachen Wüstenlandschaft vor dem Wagen verschwand übergangslos. Die Luft roch plötzlich nach Seetang, Salzwasser und Sturm, und da, wo vor Sekundenbruchteilen noch der grau-gelbe, gerissene Sandboden der Wüste gewesen war, tobte mit einem Mal die sturmgepeitschte Oberfläche eines scheinbar endlosen Ozeanes.
Dann, genauso übergangslos, wie das Phänomen aufgetreten war, verschwand es wieder. Der Himmel war wieder blau, und die Sonne brannte erbarmungslos auf die Landschaft nieder.
Aber eines hatte sich verändert.
Die unheimliche Wolke war verschwunden. Und dort, wo sie sich befunden hatte, lag die reglose, verkrümmte Gestalt eines Menschen im Sand.
***
»Bist du glücklich?« fragte Sandy.
Sie richtete sich langsam auf die Ellbogen auf, ließ ihre Finger spielerisch über die breite, behaarte Brust Borgs gleiten und blinzelte. Der hellblaue Stoff des Zeltes filterte das Sonnenlicht zu einem verwirrenden Muster aus Indigo und hellen, ineinander übergehenden Blautönen. Durch den spaltbreit offenstehenden Eingang fiel ein keilförmiger Streifen greller Helligkeit herein und ließ die Unebenheiten des Bodens hart hervortreten.
»Bist du glücklich?« fragte sie noch einmal.
Borg nickte. Wie alles, was er tat, wirkte es ungeheuer kraftvoll und schnell, fast abgehackt. Es hatte lange gedauert, bis sie sich an die seltsame Art dieses großen, schweigsamen Mannes gewöhnt hatte.
»Sag es.«
Borg lächelte. Jemanden, der ihn nicht so gut kannte wie Sandy, hätte das Verziehen seines narbigen, brutalen Gesichts erschreckt. Aber Sandy wußte, wie sanft dieser Riese sein konnte.
»Sag es«, drängte sie. »Jetzt.«
Borg lächelte noch breiter. »Ich bin glücklich«, sagte er leise. »Sehr sogar.«
Sandy lächelte, ließ sich zurücksinken und streckte die Arme über den Kopf. Selbst hier im Inneren des Zeltes ließ die Hitze jede Bewegung zu einer Qual werden. Aber das merkte sie kaum.
»Du bist der ungehobeltste Klotz, den ich kenne, Borg«, sagte sie mit geschlossenen Augen. »Erst verführst du ein unschuldiges junges Mädchen, schleppst es hinaus in die Wüste und stellst Dinge mit ihr an, die meine Mutter glatt in Ohnmacht fallen lassen würden, wenn sie davon wüßte, und dann sagst du nicht einmal freiwillig, daß du es liebst.«
»Unschuldig? Verführt?« Borg grinste breit. »Naja…«
Dandy fuhr in gespieltem Zorn auf. »Willst du etwa sagen, daß…«
»Ich will gar nichts sagen«, unterbrach sie Borg sanft. »Und es ist besser, wenn du auch nichts sagst. Reden zerstört so viel.«
Dandy blinzelte. »Wie meinst du das?« Sie steckte das Bein unter der Decke hervor, spielte mit dem großen Zeh an Borgs Wade und schmiegte sich eng an seine Brust. Ihre Finger fuhren sanft an den dünnen, weißen Linien der Narben entlang, die Borgs Oberkörper wie eine bizarre Tätowierung bedeckten.
»Woher hast du eigentlich die vielen Narben?« fragte sie. »Ich habe noch nie einen Menschen mit so vielen Narben gesehen.«
»Das sind Löcher, die mir neugierige kleine Mädchen in den Bauch gefragt haben«, sagte Borg ernsthaft. »Kleine Mädchen fragen meistens zu viel. Und zu oft.«
Sandy entschloß sich, den versteckten Tadel zu ignorieren.
»Schicksal«, seufzte sie. »Aber im Ernst - wie ist es passiert?«
Borg zögerte. Sie spürte, wie sich seine Muskeln für einen winzigen Augenblick spannten, als habe sie einen Punkt berührt, der ihm unangenehm war.
»Ich war im Krieg«, sagte er schließlich.
»In Vietnam?«
»Nein. Es… es war nicht sehr schön. Ich möchte nicht darüber reden. Bitte.«
Sie nickte, setzte sich wieder auf und zog die Beine an. »Du redest überhaupt nicht viel über dich, wie?« fragte sie. »Irgendwie ist die Situation verrückt, Borg.«
Er lächelte. »So?«
Sandy nickte ernsthaft. »Ich kenne dich seit… vierundzwanzig Jahren, aber ich weiß eigentlich nichts über dich. Nicht einmal deinen Vornamen. Hast du überhaupt einen?«
»Vielleicht hatte ich mal einen«, gab Borg zurück. »Aber ich habe ihn vergessen. Ist das so wichtig?«
»Nein. Borg reicht vollkommen. Außerdem paßt der Name zu dir.« Sie seufzte, lehnte sich zurück und fragte unvermittelt: »Wie alt bist du?«
»Warum?«
»Nur so. Ich bin eben neugierig, weißt du.«
»Ich finde, jetzt ist nicht der richtige Moment, um so viele Fragen zu stellen«, Borgs Stimme klang fast verärgert. Zwischen
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