02 Arthur und der Botschafter der Schatten
später hinterher.
»Lass uns was essen, dann kommen wir zurück«, schlug ich vor. Widerwillig packte Larissa ihre Gerätschaften wieder weg. Dann trabten wir die Stufen hinunter, bis wir die Quergasse kurz vor dem Stradun erreicht hatten. Erst hier verließ mich das beklemmende Gefühl, das ich vor dem Haus empfunden hatte.
So weit das Auge blicken konnte, war die Gasse mit Tischen und Stühlen vollgestellt. Ein Restaurant reihte sich an das nächste. Jedes zweite Lokal war eine Pizzeria.
»Das sieht mehr nach Italien als nach Kroatien aus«, stellte ich fest.
»Ragusa hat immer enge Verbindungen zu Italien unterhalten«, sagte Pomet. »Trotz der Gegnerschaft zu Venedig studierten junge Adlige und Bürger dort und in Siena. Es gab richtige kleine Exilkolonien. Allerdings wird es dort heute weniger kroatische Restaurants geben als hier Pizzerien.«
Wir suchten uns ein Lokal aus, das nicht so voll war, und bestellten jeder eine Pizza. Pomet versuchte uns zwar von den Vorzügen der einheimischen Küche zu überzeugen, aber danach stand uns heute Abend nicht der Sinn.
Es wurde rasch dunkel. Während wir aßen, gingen die ersten Lichter in der Gasse an, und als wir zahlten, hatte sich die Nacht über Dubrovnik gelegt.
Bei Nacht sah die Kovačka weitaus unwirtlicher aus als bei Tage. Die Häuserreihen schienen noch enger zusammenzurücken und jeden Lichtstrahl zu verschlingen, den die paar einsamen Laternen an den Wänden verbreiteten. Aus einigen Fenstern am Fuß der Gasse fiel noch warmes Licht, aber weiter oben waren die meisten hölzernen Fensterläden geschlossen, und Dunkelheit gähnte uns entgegen.
Die Treppen lagen um diese Stunde völlig verlassen da. Die Bewohner saßen wahrscheinlich ebenso beim Abendessen wie die Touristen in der Prijeko, wo wir vor einigen Minuten noch im hellen Schein der Restaurants gegessen hatten.
Während des Essens hatten wir bereits Donnergrollen aus der Ferne gehört. Inzwischen war das Gewitter herangezogen und erste dicke Regentropfen fielen vom Himmel.
Mit jedem Schritt, den wir uns dem Haus näherten, wurden meine Beine schwerer. Auch Pomet schien den Schwung verloren zu haben, der ihn üblicherweise auszeichnete. Die Lichtstrahlen der letzten Lampe reichten kaum bis an die Haustür des Gebäudes heran.
Larissa blieb als Einzige unbeeindruckt. Sie erreichte die Tür als Erste und machte sich sofort daran, das Schloss zu öffnen. Nach kaum einer Minute gab es ein hörbares Klack und der Weg war frei.
»Worauf wartet ihr?«, fragte sie, als sie unser Zögern bemerkte.
»Wir sollten nicht übereilt handeln«, erwiderte Pomet.
»Ach, plötzlich bekommst du Bedenken?« Der Ärger und die Ungeduld in ihrer Stimme waren deutlich zu vernehmen. »Na los, erzähl schon!«
Pomet hob gerade an, als ein Donnerschlag seine Worte übertönte. Er musste noch einmal ansetzen.
»Meninski verkehrte während seiner Zeit in Ragusa mit einer Vielzahl merkwürdiger Besucher. Manche davon reisten erst im Schutz der Dunkelheit an. Es gab Gerüchte darüber, warum sie bei Tag nie das Haus verließen. Nachts hörte man seltsame Geräusche im Haus. Es wurde gemunkelt, Meninski führe unheimliche Rituale durch. In jenen Tagen verschwanden Kinder und manchmal trieben morgens Leichen im Hafenbecken.
Das einfache Volk bekam Angst und bedrängte den Rektor, etwas zu unternehmen. Meninski wurde vorgeladen, stritt aber alle Anschuldigungen ab. Seine Gäste seien Türken und Araber, da er an einem entsprechenden Wörterbuch arbeite, behauptete er. Der Rektor fand keine Handhabe gegen ihn.
Eines Abends, nachdem abermals ein Kind spurlos verschwunden war, rottete sich eine Menschenmenge zusammen und zog zu Meninskis Haus. Doch als sie hier ankamen, fanden sie es verlassen vor. Meninski hatte rechtzeitig die Flucht ergriffen und war nach Wien zurückgekehrt. Er setzte nie wieder einen Fuß auf den Boden von Ragusa.
Seitdem steht das Haus leer. Die Regierung erwarb das Grundstück und ordnete die Versiegelung des Gebäudes an. Seit nunmehr über dreihundert Jahren sind alle Verwaltungen von Ragusa und Dubrovnik dieser Anordnung gefolgt. Sogar die napoleonische Armee hielt sich daran.«
Larissa schien kaum beeindruckt zu sein. »Und warum erzählst du uns das jetzt und nicht schon vorhin, als wir ausreichend Zeit gehabt hätten, darüber zu diskutieren?«
»Ich hatte die Hoffnung, Ihr würdet noch Abstand nehmen von Eurem Vorhaben. Mir scheint, ich kenne Euch nicht gut genug.«
»Das tust du in
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