02 Arthur und der Botschafter der Schatten
erlauben. Wenn jemand das Gefühl hatte, übers Ohr gehauen worden zu sein, ging er zur Rolandssäule und maß das gekaufte Tuch am Ellenbogen der Statue nach.«
Durch einen lang gezogenen Innenhof gelangten wir in eine Reihe von Seitenräumen, in denen zahlreiche historische Dokumente in Glasvitrinen ausgestellt waren. Besonders faszinierend fand ich ein türkisch-lateinisch-deutsch-italienisch-französisch-polnisches Wörterbuch. Es wurde von den geschulten Übersetzern Ragusas für die Korrespondenz mit den Türken genutzt. Sein Verfasser war ein gewisser Franz von Mesgnien Meninski, ein Pole, der in Wien arbeitete.
»Ein beeindruckender Mann«, erklärte Pomet, als er mein Interesse bemerkte. »Er hat einige Zeit in Ragusa gelebt. Nach seiner Rückkehr ist er den Intrigen am habsburgischen Hofe zum Opfer gefallen.«
»Das klingt ja fast so, als hättest du ihn gekannt«, sagte ich.
Pomet stutzte. »Wen? Meninski?« Er lachte. »Nein, Ihr versteht das falsch. Aber ich weiß, wo er während seines Aufenthalts in Ragusa gewohnt hat.«
Larissa war inzwischen zu uns gestoßen. Sie hatte ebenso wenig einen Hinweis gefunden wie ich.
»Vielleicht sollten wir uns mal das Haus dieses Meninski ansehen«, schlug ich vor. »Oder steht noch etwas anderes auf dem Programm?«
»Die Museen und Paläste haben jetzt alle geschlossen«, erwiderte Pomet. »Nur die Synagoge hat um diese Zeit noch geöffnet.«
»Dann lasst uns dort hingehen«, sagte Larissa. »Immerhin sind die Sepharden eines der Bindeglieder zwischen Córdoba, Ragusa und den Vergessenen Büchern.«
Wir verließen den Sponza-Palast und bogen drei Gassen weiter rechts in die Žudioska ein. Der Himmel hatte sich bewölkt und es war unerträglich schwül geworden. Meine Kleidung klebte mir am Körper und jede Bewegung löste neue Schweißausbrüche aus.
Die Eingangstür des Hauses stand offen und wir kletterten eine steile Treppe empor. Die eigentliche Synagoge befand sich im zweiten Stock. In der ersten Etage war ein kleines Museum eingerichtet worden, das sich mit der Geschichte der Juden in Ragusa und Dubrovnik befasste.
Zu den Ausstellungsstücken zählten eine Handvoll Thora-Rollen, die zwischen dem dreizehnten und siebzehnten Jahrhundert von den Zuwanderern aus Spanien, Italien und Frankreich mitgebracht worden waren, sowie diverses religiöses Zubehör. In einer Ecke der Glasvitrine lagen auch mehrere alte Bücher. Wir studierten sie ausgiebig, konnten aber keinen Zusammenhang zu unserer Suche erkennen.
Nach einem kurzen Rundgang und einem Blick in die Synagoge im zweiten Stock verließen wir das Gebäude wieder. Wir stiegen weiter treppauf und bogen an der nächsten Quergasse rechts ab. Die folgende Treppe zur Linken war die Kovačka .
Pomet kletterte voraus, bis wir fast die Stadtmauer erreicht hatten. Vor den Häusern standen überall Blumentöpfe, die der Gasse, zusammen mit den Blumenbänken vor den Fenstern, trotz der schlichten Gebäude ein farbenfrohes Aussehen verliehen. Von einer Häuserfront zur anderen zogen sich die unvermeidlichen Wäscheleinen mit ihren Hosen, Hemden und Röcken.
Unser Führer blieb vor einem verwitterten Haus stehen, dessen Fenster mit Holzplatten zugenagelt waren. Hier wohnte niemand mehr. Auch das Nachbarhaus und die gegenüberliegenden Gebäude machten einen desolaten Eindruck.
»Das ist es!«, rief Larissa.
Ich blickte sie fragend an. Sie wies auf die abgeblätterte Tür, vor der Pomet stehen geblieben war. »Da drin ist etwas, ich kann es spüren!«
»Dies ist das Haus von Meninski«, bestätigte Pomet.
Das Gebäude war von einer abstoßenden Aura umgeben. Ich empfand bereits Ekel bei dem Gedanken, die Türklinke zu berühren, geschweige denn, dort einzutreten. Es kam mir vor wie eine große, dunkle Falle, in der etwas Furchtbares auf seine Opfer lauerte, die töricht genug waren, sich dort hineinzuwagen. Allerdings wollte ich nicht wieder als der Angsthase vom Dienst dastehen und äußerte meine Bedenken nicht.
Larissa war von der Atmosphäre des Hauses völlig unbeeindruckt, wenn sie es überhaupt merkte. »Wir müssen da rein.« Sie rüttelte an der Tür. Als sich nichts bewegte, zog sie ihr Dietrichset aus der Tasche.
»Halt, halt!«, rief ich. »Es ist noch viel zu hell! Wir sollten warten, bis es dunkel ist.«
Wie zur Bestätigung meiner Worte bog knapp oberhalb von uns ein junges Paar um die Ecke und ging die Treppen hinab. Wir ließen sie wortlos passieren. Weitere Touristen kamen wenige Sekunden
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