02 Arthur und der Botschafter der Schatten
wollten sie nicht, dass er zu mächtig wurde. Deshalb dauerte seine Amtszeit immer nur einen Monat. In dieser Zeit durfte er den Palast nicht verlassen und auch keinen Kontakt zu seiner Familie haben.«
Der Rektorenpalast lag auf der Hafenseite der Stadt. Er war, wie alles in Dubrovnik, aus schlichtem Stein erbaut und wies kaum Verzierungen auf. Lediglich der kleine Säulengang vor der Eingangstür deutete an, dass es sich hier um ein besonderes Gebäude handelte.
Auf dem großen Platz davor herrschte rege Betriebsamkeit. Innerhalb der Stadtmauern waren Autos und Mopeds nicht erlaubt, abgesehen von den Elektrofahrzeugen der Stadtverwaltung und von Lieferanten. Die Plätze der Stadt waren dennoch zum Bersten gefüllt mit Touristen aus aller Herren Länder. Wie dicke Würmer wanden sich die geführten Gruppen umeinander herum. In der Nähe des Rektorenpalastes befanden sich noch zahlreiche weitere Sehenswürdigkeiten, und kaum hatte ein Besucherstrom ein Gebäude verlassen, drängte sofort der nächste hinein.
Nachdem wir den Eintritt bezahlt hatten, traten wir in das erfrischend kühle Atrium des Palastes. Zur Rechten führten zwei niedrige Öffnungen in die ehemaligen Gefängniszellen, in denen so mancher Gefangene sein Leben ausgehaucht hatte. Der Palast war direkt an die Stadtmauer am Hafen gebaut und hatte einen Zugang zum Meer. Bei Hochwasser wurden einige der Zellen fast vollständig überflutet.
»Stellt Euch das vor«, sagte Pomet. »Im ersten Stock tafelte der Rektor mit seinen Gästen, während hier unten die Gefangenen um ihr Leben kämpften.« Viel Fantasie benötigte man an diesem Ort nicht dafür. Ich hatte das Gefühl, von den niedrigen Decken erschlagen zu werden.
»Hier finden wir doch nichts«, sagte ich. »Lasst uns rausgehen.«
Larissa studierte die in den Zellen ausgestellten alten Truhen. Unter ihren aufgeklappten Deckeln verbargen sich hoch komplizierte Schließmechanismen mit zahlreichen Metallhebeln, Federn und Zahnrädern. Das interessierte sie als passionierte Sperrtechnikerin natürlich besonders.
Ich stieß mir beim Verlassen der Zellen den Kopf an dem niedrigen Steindurchgang und litt für den Rest unseres Rundgangs unter Schädeldröhnen. Die Bibliothek, die hier einmal gewesen sein mochte, war entweder verschwunden oder nicht mehr zugänglich. Stattdessen konnte man im ersten Stock durch feudal eingerichtete Zimmer schreiten und das ehemalige Schlafzimmer des Rektors besichtigen.
Währenddessen traktierte uns Pomet weiter mit der Geschichte der Stadt, die angeblich schon vor unserer Zeitrechnung gegründet worden war. »Ragusa war, neben Venedig, die größte Handelsmacht im Mittelmeer. Durch geschickte Diplomatie und das Zahlen von Tributen konnte man sich die Großmächte der damaligen Zeit vom Leibe halten. Hier im Palast wurden die Pläne geschmiedet, die Ragusa bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts die Unabhängigkeit sicherten. Dann kam Napoleon. Der ließ sich weder bestechen noch überreden und löste die Republik kurzerhand auf.«
Vom Rektorenpalast ging es weiter in das nur wenige Meter entfernte Dominikanerkloster. Hier gab es eine große Bibliothek, wie uns Pomet versicherte. Leider war sie für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und wir mussten uns mit einem Foto in einem Informationsblatt begnügen.
Dasselbe widerfuhr uns im Franziskanerkloster. Die Bibliothek dort war ebenfalls für den Publikumsverkehr geschlossen. Der Besuchermagnet hier war die erste und älteste Apotheke Europas, seit 1317 bis heute ununterbrochen in Betrieb. In einer Ausstellung konnte man unter anderem alte medizinische Handbücher besichtigen. Das Studium der aufgeschlagenen Seiten führte uns jedoch nicht weiter. Der Text drehte sich offenbar wirklich nur um Heilkräuter und nicht um Vergessene Bücher.
Frustriert traten wir wieder auf die Straße. Der Strom der Touristen war noch immer ungebrochen. Als Letztes für heute wollten wir den Sponza-Palast besuchen, der gegenüber der Rolandssäule stand. Dort hatten sich früher das Zollamt, die Bank, die Schatzkammer und die Münzanstalt von Ragusa, in der das Geld der Republik geprägt wurde, befunden.
Pomet wies uns auf das Motto über dem Eingang hin. Es war in lateinischer Sprache in den Stein gemeißelt. »Das ist Ragusas Grundsatz gewesen: Es ist verboten, zu betrügen und Maße zu fälschen, und wenn ich Waren messe, so misst Gott selbst mit mir . Als erfolgreiche Kaufleute konnten sich die Bewohner keine Schwindeleien
Weitere Kostenlose Bücher