02 Arthur und der Botschafter der Schatten
der Tat nicht.« Sie stieß die Tür auf. »Ich gehe jetzt da rein. Was ihr macht, ist mir egal. Wenn ihr euch von Ammenmärchen abschrecken lasst, ist das eure Sache.«
»Larissa!«, rief ich, aber ein erneutes Donnern verschluckte meine Stimme. Sie verschwand im Inneren des Hauses. Ich warf Pomet einen verzweifelten Blick zu und folgte ihr dann. Er trat nach mir ein und schloss die Tür hinter uns.
Die Luft im Haus war zum Schneiden dick und legte sich wie eine klebrige Masse um meinen Körper. Sie kam mir vor wie der stinkende Atem eines Dämons und ich musste würgen. Auch Pomet schnappte hörbar nach Luft.
Das lag sicher zum einen an der angestauten Wärme, die nur wenig Gelegenheit hatte zu entweichen. Aber da war noch etwas anderes. Mir kam es vor, als hätte sich die Luft im Haus in all den Jahrhunderten nicht ausgetauscht. Sie war abgestanden und abgenutzt, schon Tausende Male ein- und ausgeatmet, sodass sie nur noch eine blasse Kopie ihrer selbst darstellte.
Mir fiel das richtige Wort ein: Dieses Haus war schmutzig . Nicht im Sinne von verdreckt, sondern von befleckt . Und jeder, der durch die Tür trat, wurde sofort in den Schmutz hineingezogen. Er hüllte uns ein und kroch in unser Inneres. Wenn wir uns hier länger aufhielten, würde er unweigerlich vollständig von uns Besitz ergreifen.
Ich gab mir einen Ruck und machte ein paar Schritte vorwärts auf Larissa zu. Ob sie dasselbe spürte wie ich, wusste ich nicht. Zumindest merkte man ihr nichts an. Sie hatte ihre Taschenlampe angeknipst und inspizierte einen der zwei Räume im Erdgeschoss. Ich sah ihr über die Schulter.
Das Zimmer war bis auf einen Haufen alter Lumpen leer. Auch der zweite Raum enthielt nichts außer schlechter Luft und einer zerrissenen Matratze. Ob sich hier einmal ein Obdachloser eingenistet hatte? Und was war wohl mit ihm geschehen?
Vorsichtig stiegen wir die Treppe ins erste Stockwerk empor. Wir hielten uns alle dicht beisammen. Die drei Räume auf dieser Ebene waren ebenfalls leer.
Die zweite Etage bestand aus einem einzigen großen Raum. Er wurde beherrscht von einem riesigen runden Holztisch, der ein merkwürdiges Muster aufwies. Als wir näher herantraten, sahen wir, dass es keine dekorative Arbeit war. Irgendjemand hatte mit einem scharfen Gegenstand, vielleicht einem Schwert, wie ein Berserker auf den Tisch eingeschlagen und ganze Stücke des Holzes herausgehackt. Die Rillen, welche die Hiebe zurückgelassen hatten, waren unregelmäßig dunkelbraun gefärbt. Ich wollte nicht wissen, was die Ursache dafür war.
Die Stühle, die einmal um den Tisch gestanden haben mussten, waren an der Wand unter einem Ölgemälde aufgereiht. Ein greller Blitz erhellte den Raum und das Bild. Für einen Augenblick glaubte ich, eine Bewegung darin wahrgenommen zu haben, aber das war natürlich nur eine Illusion.
Das Gemälde zeigte einen Mann in einem wallenden weißen Gewand, der auf einem Kissen saß und ein Buch in der Hand hielt. Er war von der Seite porträtiert, sodass man nur einen Teil seines Gesichts sehen konnte, das zudem noch von einem typisch arabischen Kopftuch verdeckt wurde.
Auch wenn man kaum etwas von seinen Zügen erkannte – ich spürte, dass von ihm nichts Gutes ausging. Das Bild war ausgesprochen realistisch gemalt. Es kam mir vor, als hätte die Wand an dieser Stelle ein Loch, durch das man in eine andere Welt und auf diesen Mann blickte. Ich erwartete jeden Moment, dass er eine Seite umblättern oder den Kopf heben und uns anschauen würde.
Trotz meines Widerwillens trat ich näher an das Gemälde heran. In eine Messingplatte, die auf dem Rahmen befestigt war, waren die Worte Abdul Al ’hazred eingraviert. Ob das der Maler oder der Porträtierte war? So nah am Bild nahm ich seine Ausstrahlung noch mehr wahr. Mein Gesicht wurde heiß, so als ob der Wüstenwind aus dem Gemälde direkt in dieses Haus wehen würde. Dennoch konnte ich mich nicht von der Stelle rühren. Es war Pomet, der mich an der Schulter fasste und von dem Porträt wegzog. Sobald ich ein paar Schritte entfernt war, ließ die dunkle Faszination nach.
Ich musste an das Zimmer im Haus mit den Blutflecken in Amsterdam denken. Auch dort hatte ich die Anwesenheit einer bösen Macht gespürt. Hier war es ähnlich. Und wie damals hatte ich nur ein Ziel: diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen.
»Lass uns gehen«, flüsterte ich Larissa zu, die gerade einen Schrank an der anderen Wand untersuchte. »Hier finden wir nichts.«
»Ich gehe nicht
Weitere Kostenlose Bücher