02 Arthur und der Botschafter der Schatten
ausgibst.«
»Wer ist schon, der er ist? Was seid denn Ihr? Ein Name auf Papier? Ein Kaufmann heute und morgen eine Frau? Ihr sammelt, und doch gebt Ihr ab, Ihr lächelt, und doch zweifelt Ihr. Wie könnt Ihr sagen, wer Ihr seid?«
Lidija lächelte in der Tat, allerdings ohne Wärme. »Gesprochen wie der wahre Pomet. Du bist ein Meister des Wortes, das ist sicher.«
»Ist es nicht egal, wer er ist, solange er uns hilft?«, fiel ich ein. »Ohne Pomets Hilfe wäre ich jetzt bereits in der Gewalt der Karasamoffs.«
»Was ist denn passiert? Hast du schon etwas herausfinden können?«, fragte Larissa.
»Leider nicht.« Ich berichtete von meinen Erlebnissen. »Aber wie bist du so schnell hierhergekommen?«
»Ich wurde wach, als der Frachter in Dubrovnik anlegte«, erzählte Larissa. »Als ich an Deck kam, sah ich einen Laster und daneben zwei der Karasamoffs am Kai stehen. Unsere Vermutung, dass es Drillinge sind, war richtig. Der Dritte, der uns noch nicht kannte, ging mit dem Container an Land. Er war wohl deshalb mit an Bord, um diese Zwischenlandung zu organisieren.
Ich wollte dich wecken, aber du hast auf mein Klopfen nicht reagiert. Also habe ich die Tür geöffnet und bin in deine Kabine rein. Du warst nicht da. Nachdem ich dich nirgendwo an Bord gefunden habe, bin ich zu Kokou gegangen. Der hat sich bei den Seeleuten, die am Entladen beteiligt waren, umgehört, ob sie irgendetwas bemerkt haben. Einer von ihnen konnte sich erinnern, dass einer der Türhebel des Containers nicht ganz verriegelt war. Also habe ich eins und eins zusammengezählt und geschlossen, dass du in dem Behälter warst. Natürlich habe ich sofort gedacht, du wolltest ohne mich an Land gehen, weil wir uns vorher so gestritten hatten.«
»Das war nicht der Grund«, erklärte ich. »In den Laderaum bin ich mit voller Absicht ohne dich gegangen, das ist wahr. Ich wollte noch einmal überprüfen, ob das Buch, das ich dort gefunden hatte, wirklich das richtige war, und du hattest ja klar zum Ausdruck gebracht, dass du das für reine Zeitverschwendung hältst. Aber ich hatte natürlich keine Ahnung, dass der Container in Dubrovnik abgesetzt wird.«
Larissa machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ist ja jetzt auch egal. Kokou hat dann mit dem Kapitän gesprochen, und der war einverstanden, mich im nächsten Hafen an Land gehen zu lassen. Kokou meint, die Sonderzahlung von Karasamoff für das außerplanmäßige Anlegen in Dubrovnik sei so hoch gewesen, dass der Kapitän die paar Minuten Verzögerung auch noch verschmerzen würde. Als der Frachter auf der Höhe von Ploče war, hat Kokou mich mit einem Beiboot zum Hafen gebracht und mich in ein Taxi gesetzt. Deshalb konnte ich so schnell hier sein. Und den habe ich auch mitgebracht.« Sie deutete auf meinen Koffer, der neben ihrem stand.
»Dann können wir uns jetzt ja ein wenig ausruhen und morgen richtig mit der Suche beginnen«, schlug ich vor.
»Und einen halben Tag verschenken? Ohne mich. Wir haben gerade mal zwei Uhr!«
Sie hatte ohne Zweifel recht. Ich seufzte. Etwas Ruhe und Erholung hätte ich nach dem aufregenden Vormittag gebrauchen können. Aber ich kannte Larissa zu gut, um ihr zu widersprechen. Und auf einen erneuten Streit konnte ich verzichten.
»Wenn du willst. Wo fangen wir an?«
»Ein Buch findet man am ehesten in einer Bibliothek. Und davon müsste es doch hier einige geben.«
»Wenn ihr euch da mal nicht täuscht«, meldete sich Lidija Pjorotić zu Wort. »Die Tradition von Ragusa reicht zwar lange zurück. Allerdings waren wir nie ein Zentrum der Kultur. Seht euch doch nur die Stadt an: Sie ist nüchtern und zweckmäßig gebaut, ohne viel Firlefanz. Unsere Bürger waren Kaufleute, keine Gelehrten oder Künstler. Nicht einmal ein Theater war in Ragusa erlaubt!«
»Wohl gesprochen«, ergänzte Pomet. »Dennoch gibt es einige Orte, an denen man Gelehrsamkeit verspürt. Vielleicht lohnt der Weg dorthin.«
»Hauptsache, wir laufen den Drillingen nicht über den Weg«, murmelte ich.
So machten wir uns auf die erneute Suche nach dem Buch der Wege. Pomet erwies sich als äußerst kenntnisreicher Führer, der nahezu alles über die Geschichte der Stadt wusste und es auch gerne mitteilte.
Unser erstes Ziel war der Rektorenpalast. »Ragusa wurde bis zu seinem Untergang von Adelsfamilien beherrscht«, erklärte Pomet. »Diese Familien wählten verschiedene Komitees zur Abwicklung der Regierungsgeschäfte sowie den Rektor, den obersten Repräsentanten der Republik. Allerdings
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