02 Arthur und der Botschafter der Schatten
stellte sich quer in den Flur und versperrte uns den Weg. Seine Augen schienen uns zu durchbohren.
»Gibt’s da drinnen was Interessantes zu sehen?«, fragte er.
»Sackgasse«, antwortete Larissa. »Wir dachten, da geht es noch weiter, aber das ist nicht so.«
»Aha.« Er nickte, rührte sich aber keinen Zentimeter von der Stelle. »Ihr solltet vorsichtig sein. So ein Containerschiff hat viele dunkle Ecken.«
Das klang wie eine klare Drohung. Die Tür zum Maschinenkontrollraum war nur einen Schritt von mir entfernt, und ich bereitete mich darauf vor, im Notfall schnell die Klinke zu ergreifen. Doch einen Moment später trat er beiseite und ließ uns passieren.
»Ihr kennt doch sicher das englische Sprichwort curiosity killed the cat ?«, rief er uns nach, als wir an ihm vorbeieilten. »Neugier ist der Katze Tod. Darüber solltet ihr mal nachdenken.«
Wir liefen ohne zu antworten weiter. Eines war klar: Er wusste, wer wir waren. Falls er wirklich ein Drilling war, dann hatten ihn seine Brüder über uns informiert. Wir taten also gut daran, ihm künftig aus dem Weg zu gehen und den Laderaum zu meiden. Wenn er geahnt hätte, was wir in unseren Umhängetaschen trugen! Dann hätte er wahrscheinlich hier und an dieser Stelle kurzen Prozess mit uns gemacht.
Wir verlangsamten unsere Schritte erst, als wir das Treppenhaus erreicht und ein Stockwerk hochgelaufen waren.
»Du und dein blödes Buch!«, schimpfte Larissa. »Beinahe hätte er uns erwischt!«
»Leise«, ermahnte ich sie. »Er ist vielleicht direkt hinter uns.« Ich kletterte zwei weitere Treppen hoch und hielt dann an. »Immerhin hast du auch ein Buch mitgenommen. Und es sah nicht so aus, als ob das ein Zufall gewesen wäre.«
Darauf wusste sie nichts zu erwidern. Sie zuckte trotzig mit den Schultern. »Wie auch immer. Lass uns die Bücher untersuchen. Dann wissen wir wenigstens, ob sich das Risiko gelohnt hat.«
In meiner Kabine angekommen, packten wir die beiden Bände aus und inspizierten sie vorsichtig. Ihrem Äußeren nach zu urteilen, waren beide mehrere Hundert Jahre alt. Das Exemplar, das ich eingesteckt hatte, schien ein altes Kaufmannsjournal zu sein. Es enthielt auf jeder Seite Kolumnen mit für uns kaum lesbaren handschriftlichen Einträgen. In einer Spalte standen offenbar die Bezeichnungen und Mengen der Waren, um die es ging, in einer weiteren der Preis. In der dritten Spalte glaubten wir Namen und Adressen zu entziffern; wir konnten einige Wörter als Londinium , Venetiis , Roterodamum , Massilia und tatsächlich auch Ragusa identifizieren. Das war zumindest noch ein Hinweis darauf, dass es eine Verbindung zwischen Córdoba und Dubrovnik gab.
Das Buch, für das sich Larissa entschieden hatte, war kein Journal, sondern ein gedrucktes Exemplar. Es trug die Aufschrift De Vermis Mysteriis . Der Verfasser war ein gewisser Ludwig Prinn.
»Von den Geheimnissen der Würmer«, übersetzte ich. »Was für ein merkwürdiger Titel.«
Das Buch war komplett in Latein verfasst. Wir konnten zwar einzelne Wörter übersetzen, aber kaum einen Satz, geschweige denn einen zusammenhängenden Text. Zudem schienen viele Begriffe mit Latein nicht viel zu tun zu haben, zum Beispiel Nyarlathotep , Tsathoggua oder Azathoth . Mehrfach entdeckten wir das Wort umbrae , also Schatten.
»Ein Buch mit einer Erwähnung der Schatten, eines mit Ragusa«, stellte ich fest. »Aber kein Hinweis, der uns auf der Suche nach dem Buch der Wege weiterhilft.«
»Ich hab doch gleich gesagt, dass Córdoba ein Fehlschlag war«, murrte sie. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich für ein wertloses Kaufmannsjournal beinahe in den Palast eingebrochen wäre! Zumindest habe ich ein Buch gefunden, das mit unserer Aufgabe zusammenhängt. Wenn ich auch noch nicht weiß, wie.«
Das war natürlich klar. Ich machte die Fehler, nur sie nicht. Mir lag eine scharfe Antwort auf der Zunge, aber ich schluckte sie herunter. Es hätte eh nichts gebracht.
Wir saßen eine Weile frustriert herum und blätterten ziellos in den Büchern, ohne auf etwas Neues zu stoßen. Der Rest des Tages verstrich schleppend langsam. Larissa war wortkarg und verkroch sich bald in ihre Kabine. Nach dem Mittagessen plauderten wir ein wenig mit Kokou, der uns anbot, am Abend mit ihm einen Landgang in Marseille zu machen. Wir wussten bis dahin nicht, dass wir den Hafen überhaupt anlaufen würden. Larissa war nicht besonders begeistert.
»Das kostet uns wieder wertvolle Zeit!«, schimpfte sie.
»’abt ihr es denn
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