02 Arthur und der Botschafter der Schatten
eilig?«, fragte Kokou. »Isch denke, ihr macht eine Urlaubsreise?«
»Machen wir auch«, beeilte ich mich zu versichern. »Aber Larissa ist immer etwas ungeduldig. Sie kann es gar nicht erwarten, Rijeka zu sehen.«
»Warte erst mal ab, bis du Marseille erlebt ’ast«, versprach ihr Kokou. »Und wenn ihr eusch langweilt, dann geht doch einfach mal zum Kapitän auf die Brücke.«
Wir nahmen den Vorschlag dankend an. »Wenn wir in Marseille sind, habe ich endlich wieder ein Netz fürs Handy und kann im Internet nach diesem Ludwig Prinn recherchieren«, meinte Larissa, während wir die Treppen hinaufkletterten. »Vielleicht bringt uns das auf eine Spur.«
Das Steuerhaus befand sich fast fünfzig Meter hoch über dem Wasserspiegel. Entsprechend atemberaubend war der Blick von hier oben. Es war, ähnlich wie der Raum des Chiefs, eine glänzende Hightechwelt, mit beinahe zwanzig Metern Breite allerdings etwas größer. Kapitän Jensen saß auf einem bequemen Drehsessel vor einer Konsole, die außer einem kleinen Steuerrad und ein paar Hebeln und Knöpfen keine weiteren Lenkvorrichtungen aufwies. Über der vorderen Fensterreihe leuchteten und blinkten zahlreiche Anzeigen. Rechts von ihm hockte der Zweite Offizier vor einer Reihe von Bildschirmen. Das Ganze hatte nichts mit den Vorstellungen zu tun, die ich von Schiffssteuerung hatte.
Der Kapitän übergab an seinen Kollegen und stand auf, um uns zu begrüßen. Wir durften uns in Ruhe alle Instrumente ansehen und uns sogar einmal auf seinen Stuhl setzen und das Steuerrad in die Hand nehmen. »Ihr könnt gern mal dran drehen«, sagte er. »Im Augenblick fahren wir auf Autopilot. Der Computer steuert also das Schiff.«
»Wozu werden Sie dann noch gebraucht?«, wollte Larissa wissen.
»Für all das, was der Rechner nicht kann«, lachte Jensen. »Heute ist die See ruhig und der Verkehr überschaubar. Da müssen wir nur die Instrumente überwachen und zum Eingreifen bereit sein, falls etwas Unvorhergesehenes passiert. Aber wenn die Fahrstraßen enger werden oder das Wetter schlechter, dann sind wir manchmal ganz schön gefordert.«
Nach dem Besuch im Steuerhaus umwanderten wir einmal das gesamte Schiff. Am Bug legten wir uns ein wenig in die Sonne. So brachten wir die Zeit bis zum Abendessen herum. Das fiel heute nur sehr kurz aus, denn wir hatten bereits fast Marseille erreicht.
Ein schnittiger motorisierter Katamaran ging längsseits, und einer der Matrosen warf eine Strickleiter über Bord. Kurz darauf stand ein junger Mann in Jeans und Turnschuhen an Deck und wurde vom Ersten Offizier empfangen. Das war der Lotse, der uns sicher in den Hafen geleiten sollte.
Er manövrierte die Ann Catherine langsam durch die schmale Einfahrt des Containerhafens bis zu unserem Liegeplatz. Dort warteten schon die Hafenarbeiter, um umgehend mit dem Entladen zu beginnen.
Wir hatten uns mit Kokou um acht Uhr in der Bar verabredet. Der Kapitän hatte uns erlaubt, bis Mitternacht das Schiff zu verlassen. Robin musste allerdings zurückbleiben, um den Matrosen Kaffee und einen Imbiss zu servieren.
Am Hafenausgang wartete ein Dutzend Taxis auf Fahrgäste. Kokou gab als Fahrtziel die Altstadt an, und knappe zehn Minuten später standen wir in einem Gewirr von kleinen Gassen, die sich einen Hügel hinauf zogen. Wir kletterten auf bröckelnden Stufen fast bis ganz nach oben. Über uns waren Wäscheleinen gespannt, so als wollten sie die Gebäude zusammenhalten. Alte Häuser wechselten sich ab mit Neubauten, die lieblos zusammengewürfelt aussahen. Kinder spielten auf kleinen Plätzen Fußball, Jugendliche bastelten an ihren Mofas herum. Alte Männer saßen auf Stühlen vor offenen Haustüren und rauchten.
»Das Quartier de Panier war das Viertel Marseilles, in dem frü’er die meisten Einwanderer wohnten«, erklärte Kokou. »Vielleischt ist das der Grund dafür, dass isch misch ’ier so wohlfühle.«
Er führte uns weiter hinein in das Labyrinth der kleinen Straßen und steilen Treppen, bis ich völlig die Orientierung verloren hatte. Aus geöffneten Fenstern strömten orientalisch klingende Popmusik und der Duft von exotischen Gewürzen zu uns. Wir kamen an arabischen Imbissen und Bäckereien vorbei und erreichten schließlich einen etwas größeren Platz, in dessen Mitte unter Sonnenschirmen die Stühle und Tische eines Cafés aufgebaut waren.
Wir folgten Kokous Beispiel und setzten uns. »’ier gibt es den besten Pfefferminztee außerhalb Marokkos«, sagte er. »Wir sind ’ier im
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