02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
verloren. Er hatte uns alles genommen außer unserer Angst - der dumpfen Angst, daß er irgendwann wieder zuschlagen könnte.
Vor unserer Abreise in den Iran hatte Moody uns tatsächlich belogen, und zwar im Namen des Islam. Im Iran fragte ich ihn wiederholt, ob er bereits vor unserer Abreise aus Mi-chigan geplant habe, uns in seiner Heimat festzuhalten. Er hatte dies immer bestritten, aber jetzt wurde sein Täuschungsmanöver aufgedeckt. Bei dem Interview im deutschen Fernsehen gab er zu, daß er von vornherein geplant habe, im Iran zu bleiben. Ihm sei klar gewesen, daß ich nicht freiwillig mitgekommen wäre, wenn ich das gewußt hätte. Wir waren Gefangene gewesen. Jedesmal wenn ich mit der Schweizer Botschaft Kontakt aufnahm, war das amerikanische Außenministerium telegrafisch verständigt worden. Diese Telegramme bewiesen, daß wir gefangengehalten, geschlagen und mit dem Tod bedroht worden waren.
Moodys Behauptung, er persönlich habe uns in Teheran in eine bequeme Linienmaschine nach Zürich gesetzt, konnte ich mit einer telegrafischen Mitteilung des Außenministeriums widerlegen; darin ist von einem Brief die Rede, den Moody der Botschaft übergeben hatte. In dem Brief schreibt er, Mahtab und ich seien am 29. Januar 1986 aus seinem Haus »verschwunden und seitdem nicht zurückgekehrt«. Weiter heißt es dort: »Ich bin außerordentlich um ihre Sicherheit besorgt.«
Wären Mahtab und ich nicht geflohen, dann hätte Moody mich, getrennt von meiner Tochter, wohl auf unbestimmte Zeit gefangengehalten.
Ich weiß, daß Moody noch im Iran lebt. Ich weiß, daß er verbittert ist; seine Todesdrohungen klingen mir noch in
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den Ohren. Aufgrund von Berichten seiner Verwandten weiß ich, daß er seinen islamischen Glauben jetzt aktiv praktiziert Wie aus seinen Worten in dem Interview des deutschen Fernsehens hervorging, muß Mahtab leider
-aber notwendigerweise - ohne ihren Vater und ohne die Hälfte ihres Erbes leben. Es sind immer die Kinder, die für die Sünden der Eltern und die Gleichgültigkeit der Welt teuer bezahlen müssen.
Die Hilferufe werden gehört
Zahllose Gespräche während der PR-Tour für mein Buch in den USA im Jahre 1987 zeigten mir, daß mein Fall kein Einzelfall ist. Erschütternd dabei war vor allem die Tatsache, daß viele Kinder - ohne irgendwelche Hilfe von außen - all das erleiden mußten, was Mahtab und mir zugestoßen war.
Jeden neuen Fall besprach ich mit dem Außenministerium, und schon bald entdeckte ich, daß alle Fälle etwas Gemeinsames hatten. Senator Alan Dixon hatte sich schon früh für das Problem der Kindesentführung engagiert.
Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Sara Pang hatte er Hunderte von Fällen bearbeitet. Zwischen Sara und mir entwik-kelte sich in der Folge eine enge Zusammenarbeit.
Da juristische Lösungen nicht zur Hand sind, kommt es zunächst darauf an, daß die Eltern, deren Kinder entführt wurden, jemanden haben, dem sie ihr Herz ausschütten können, der sie versteht, weil er eine ähnliche Situation erlebt hat wie sie. Daß Mahtab und mir die Flucht geglückt war, gab vielen Zuversicht, denen man zuvor erklärt hatte, da könne man nichts machen. Dieser Auftrieb war vor allem dann nötig, wenn Familienangehörige oder Freunde auf den verlassenen Eltern herumhackten und meinten, man hätte es ja schon immer gewußt, daß es zu einer Entführung kommen werde.
Viele Anrufer wollten von mir einfach auch nur ein wenig emotionale Zuwendung und Mitgefühl. So erzählte mir je-373
mand von seinen Ängsten vor einer möglichen Kindesentführung, weil er sonst niemanden hatte, der ihm zuhörte, der ihm Verständnis entgegenbrachte, geschweige denn die Verzweiflung nachvollziehen konnte. Viele dieser besorgten Eltern müssen sich wie ich den Vorwurf gefallen lassen, hysterisch und geistesgestört zu sein.
Als mich immer mehr verlassene Eltern um Hilfe baten, bedauerte ich, ihnen so wenig bieten zu können. Auf meinen Schultern ruhte eine ungeheure Verantwortung, und ich konnte nichts weiter tun, als ihnen verständnisvoll zuzuhören und einige allgemeine Ratschläge zu geben.
Ich brauchte Hilfe. Deshalb lud ich Beamte der staatlichen und bundesstaatlichen Behörden, Richter, Rechtsanwälte, Vertreter der Einwanderungsbehörde und die Mitarbeiterin eines Frauenhauses zu einer Diskussionsrunde ein.
Zu Beginn des Gesprächs lehnte sich ein Anwalt in seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme und fragte:
»Über wie viele Kinder reden wir überhaupt?«
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