02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
aber sie umarmte mich ganz fest und sagte: »Ich liebe dich, Mom.« Ich entschuldigte mich bei ihr für das Benehmen ihres Vaters und fuhr fort: »Ich liebe dich so sehr, Mahtab, und ich bin so stolz auf dich. Wie konnte ich nur soviel Glück haben und eine so wunderbare Tochter wie dich bekommen?«
Während des Vortrags fühlte ich mich elend und unsicher. Die Veranstaltung war ausverkauft, und als ich ans Podium trat, sah ich reihenweise erwartungsvolle Gesichter. Über den vollen Tanzsaal legte sich aufmerksame Stille. Während ich meine Erklärung abgab, mußte ich plötzlich innehalten. Es schnürte mir die Kehle zu, und ich konnte einfach nicht weitersprechen. Ich spürte, wie mir die Tränen 368
in die Augen stiegen. Was sollte ich tun? Ich wußte nur, daß ich an dieser Stelle nicht abbrechen konnte, denn niemand würde verstehen, weshalb ich weinte.
Ich holte ein paarmal tief Luft, trank einen Schluck Wasser und schaffte es irgendwie, weiterzureden. Im Laufe meiner Erklärung konnte ich die Unterstützung und das Mitgefühl der Zuhörer geradezu spüren. Wenn das ein Vorgeschmack auf die Reaktion in Deutschland war, brauchte ich mir keine Sorgen mehr zu machen.
Aber was dachten Mitra und Jalal dort unten im Publikum? Sie mußten furchtbar verwirrt sein; vielleicht glaubten sie, ich sei ihnen gegenüber am Abend zuvor unaufrichtig gewesen. Als die Veranstaltung zu Ende war und die lange Reihe der Menschen, die mir die Hand drücken wollten, sich aufgelöst hatte, lauteten Jalals erste Worte: »Wie kann er so etwas sagen? Er lügt doch!«
Wir kehrten in das Hotelzimmer zurück und sprachen über meinen nächsten Schritt. Jalal erklärte, Mitra und er könnten bestätigen, daß wir gegen unseren Willen im Iran festgehalten worden seien. Zwar waren sie nie Zeuge geworden, wie Moody mich schlug, doch sie hatten oft mit Familienmitgliedern gesprochen, die Moodys Mißhandlungen bestätigten. Mitra erinnerte sich vor allem an ein Gespräch mit Mahtab, kurz nachdem ich geschlagen worden war, und an den Schmerz in der Stimme meiner Tochter, als sie davon erzählte. Jalal sagte sogar, sie seien beide bereit, eine Erklärung abzugeben und zu unterzeichnen, um mir zu helfen -was sie auch taten.
In der Erklärung hieß es:
»Wir sind sehr enge Freunde von Mrs. Betty Mahmoody und haben das Elend von Betty und Mahtab miterlebt.
Sie mußten gegen ihren Willen im Iran bleiben und durften das Land nicht verlassen.
Wir verkehrten in Moodys Familie und hatten engen
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Kontakt zu seinen Verwandten. Wir haben miterlebt, welche Anstrengungen Betty unternahm, um ihr Leid durch eine Flucht aus dem Iran zu beenden.
Dr. Sayyad Bozorg Mahmoody [Moody] hat Betty physisch und psychisch mißhandelt und sie 18 Monate lang gefangengehalten . . .
Es ist wirklich ungerecht, daß Betty und Mahtab zuerst derart unmenschlich behandelt werden und daß er
[Moody] dann lügt und seine Vergehen leugnet.
Wir hoffen, daß er Betty und Mahtab nicht noch weiteres Leid zufügt und sich selbst nicht noch mehr in Verlegenheit bringt, denn wir wissen, daß viele andere das gleiche bezeugen können wie wir.«
Jalal waren Moodys Lügen besonders peinlich. »Wenn man stiehlt, wird einem die Hand abgehackt«, sagte er.
»Aber wenn man lügt, ist man kein Moslem mehr.«
In den Tagen nach Moodys verbaler Attacke wurde meine Wut zu Groll. Ich war immer freundlich zu ihm gewesen - zu freundlich. Ich hatte ihn als einzige ermutigt, den Kontakt zu seiner Familie wieder auf zunehmen.
Und ich hatte dafür gesorgt, daß Mahtab ihren Vater in einem günstigeren Licht sah. Jetzt war alles umsonst.
Moody hatte Mahtab fünf Jahre lang ignoriert, und als er schließlich sein Schweigen brach, geschah es nur deshalb, damit er wieder um sich schlagen und sie verletzen konnte. Ich hatte meine letzte Achtung vor Moody verloren, und ich konnte meiner Tochter nicht verübeln, daß sie ebenso empfand.
Ein paar Tage nachdem der Sturm losgebrochen war und Mahtab und ich nach Adelaide weitergeflogen waren, wurde im Fernsehen ein Werbespot zu unserem Film ausgestrahlt. Man zeigte zwei Ausschnitte: Im ersten schwor Moody in Michigan beim Koran, daß er uns nie im Iran festhalten werde. In der zweiten Szene sah man ihn in Teheran, wo er schwor, ich würde meine Heimat nie Wiedersehen.
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»Mom, guck dir das an!« sagte Mahtab mit funkelnden Augen. »Das gefällt mir - weil Daddy wirklich gelogen hat!« Mahtab und ich hatten unsere letzten Illusionen über Moody
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