02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
Saudis angehörten. Die Gruppe traf sich zwanglos, etwa sonntags zu einem Essen, zu dem jeder ein für sein Land typisches Gericht mitbrachte. Ich hatte schon immer gern gekocht. In der High-School gewann ich den Betty-Crocker-Preis für Haushaltsführung -und in Texas erweiterte ich meine Kochkünste. Bis auf den heutigen Tag koche ich lieber orientalische Speisen als amerikanische Gerichte. Moody und ich waren eng mit Ta-riq und Farzana befreundet, und wir blieben mit ihnen in Verbindung, als sie wegzogen.
Als die Alis hörten, daß Mahtab und ich im Iran festsaßen, reisten sie nach Pakistan und beauftragten jemanden, uns in Teheran aufzusuchen und zu befreien. Durch Heien Balsanian, meine Kontaktperson an der Schweizer Botschaft, erhielt ich die Telefonnummer des Mannes, und ich bat einen von Mahtabs Lehrern, ihn anzurufen.
Leider sprach er kein Englisch, und er war zu nervös, um sich mit dem Lehrer in Farsi zu unterhalten. Er hängte den Hörer ein, und der Plan war gestorben.
Wir hatten auch Don und Miriam als Ehrengäste zu jenem Erntedankfest zu uns eingeladen. Als wir im Iran waren, hatte meine Familie die beiden durch einen früheren Kollegen von mir kontaktiert, der wußte, daß Miriam aus dem Iran stammte. Miriam beauftragte sofort ihre Schwester Sarah, die in Teheran lebte, uns zu helfen. Wieder übernahm Heien die Vermittlerrolle und stellte die Verbindung mit Sarah her, die meine heimliche Freundin werden sollte.
An dem Tag, an dem wir Moody für immer verließen, wartete Sarah mit ihrem Auto an der Haltestelle von Mahtabs Schulbus, um uns zu einem Flugzeug nach Zahidan an der pakistanischen Grenze zu bringen. Der Plan funktio-47
nierte nicht, da Moody Verdacht schöpfte und uns an jenem Morgen zur Schule begleitete.
In Anbetracht unserer Gäste drehte sich das Gespräch an diesem Erntedankfest natürlich nur um unser Leben im Iran. Ich merkte, daß Joe und John dabei unbehaglich zumute war. Die beiden entschuldigten sich früh und gingen zu ihrem Vater. Später am Abend, als sie zurückgekommen waren, sagte Joe immer wieder, daß er heim müsse, um seinen Holzofen zu heizen. »Wir haben hier tüchtig geheizt«, sagte ich, »warum bleibst du nicht den Winter hier?« Er blieb über Nacht und die nächsten zwei Jahre.
Am 2. Januar 1987 um 2.47 Uhr nachts weckte ich Mahtab leise. Mürrisch sah sie mich an, als ich ihr mitteilte, Bill und ich seien endlich mit Nicht ohne meine Tochter fertig. Sie hatte Tonbandgerät und Schreibblöcke satt und nutzte den Moment, mir das Versprechen zu entlocken, daß ich nie mehr ein Buch schreiben würde.
Noch im selben Monat verkündete Mahtab, sie wolle getauft werden. Wenige Tage später, als sie merkte, daß ich noch keine Vorbereitungen getroffen hatte, wiederholte sie entschlossen: »Ich will getauft werden. Wenn du dich nicht darum kümmerst, gehe ich selber zu Pastor Schaller.« Rein zufällig setzte der Pastor den 29. Januar 1987
als Taufdatum fest, den ersten Jahrestag unserer Flucht in die Freiheit. Alle Klassenkameraden waren bei der bewegenden Zeremonie als Zeugen anwesend, und Bill und Marilyn Hoffer erwiesen uns die Ehre, als Mahtabs Paten zu fungieren.
In der Zwischenzeit war ich damit beschäftigt, die Fahnen des Buches zu lesen und zu redigieren. Ich hatte so lange an dem Buch gearbeitet, daß mir der Text jetzt langweilig vorkam. Ich fürchtete, das Buch würde keine Leser finden.
An einem strahlenden Wintertag des Jahres 1987 legte ich die Fahnen weg und fuhr mit dem Auto zu Mahtabs Schule,
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um sie abzuholen. Ich sah ihr zu, wie sie in einer Gruppe plappernder Freundinnen und Freunde aus dem Gebäude kam und wie sie ihnen auf dem Weg zum Wagen immer wieder zum Abschied zuwinkte. Nachdem sie eingestiegen war und mir, wie üblich, einen Kuß gegeben hatte, berichtete ich ihr, daß bei einem Flugzeugabsturz im Iran 200 Passagiere getötet worden seien. Ohne zu zögern, platzte meine sonst so liebenswürdige siebenjährige Tochter heraus: »Gut! Hoffentlich ist mein Vater darunter.«
Eine schmerzliche Stille entstand zwischen uns. Schon früher war ich mit Mahtabs Zorn konfrontiert worden.
»Ich hasse Daddy, weil er uns das antut«, hatte sie in der Türkei zu mir gesagt, als wir uns auf der Heimreise befanden. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht verstanden, wie tief ihre Bitterkeit war und wie sehr sie ihre Gefühle unterdrückt hatte. Wie konnte Mahtab mit einer gesunden Einstellung zu ihrer Vergangenheit aufwachsen, wenn sie sich den
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