02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
aus Michigan abgezogen. Nie hatte ich in der Vergangenheit jemanden um Geld gebeten, und ich wollte damit auch jetzt nicht anfangen. Ich kündigte meine kleine Altersversicherung, um uns vorerst über Wasser zu halten. Doch das würde nicht lange der Fall sein. Das Geld reichte nicht annähernd für die 12000 Dollar, die ich für unsere Flucht bezahlen mußte, geschweige denn für die Kapitalertragssteuer, die ich noch vom Verkauf unseres Hauses schuldete.
Trotz dieser negativen Bilanz und obwohl ich keine Arbeit und keinerlei Sicherheit hatte, war es mir wichtig, mein Versprechen zu halten und Amahl - einem iranischen Geschäftsmann - das Geld zurückzuzahlen, das er den Schmugglern gegeben hatte, die uns aus dem Iran schafften. Gegen den Rat von Freunden ging ich in Alpena zur National Bank of Detroit und schilderte dem stellvertretenden Direktor Fran-cis Flanders, wie Amahl mir vertraut und sein Leben für uns aufs Spiel gesetzt hatte. Mit 12 000 Dollar in der Tasche verließ ich die Bank und ging direkt zur Western Union, wo ich das Geld telegrafisch auf ein Konto »irgendwo auf der Welt«
überwies. Daß Mr. Flanders mir in jener verzweifelten Lebenssituation vertraut hat, werde ich ihm nie vergessen.
Daß ich ein Buch über den Iran schreiben würde, war mir von dem Tag an klar, als ich in Teheran aus dem Flugzeug in die erdrückende Hitze trat, ein Gewirr schriller Stimmen hörte und die gehorsamen Legionen von Frauen in ihren langen, fließenden, schwarzen Tschadors sah, die meist nur ein Auge freiließen. Moody hatte seine Heimat 1959 verlassen, als der Iran noch ein westlich geprägtes Land unter der Regierung des Schahs war.
Nichts in meinen zwölf Jahren mit Moody hatte mich auf das vorbereiten können, was ich dort erlebte. Ich hatte viele Fotos des Iran vor der Revolution gesehen - darunter Bilder von Frauen mit modernen Frisuren und kurzen Röcken -, und ich war bestürzt, wie sehr sich das Land nach Ajatollah Khomeinis Machtübernahme verändert hatte.
Obwohl ich keinerlei Ausbildung als Schriftstellerin hatte, beschloß ich sofort, über diese so völlig andere Gesellschaft zu schreiben. Ich wollte darüber schreiben, wie sich ein Land nach der islamischen Revolution verändert hatte, aber auch darüber, was geblieben war: über Sitten und Gebräuche, das Essen, den Alltag des gewöhnlichen Menschen. Als Gast der Familie meines Mannes würde ich einen unschätzbaren Vorteil vor all denen haben, die das Land von einem Fünf-Sterne-Hotel aus erlebten. Ich würde zwar nur zwei Wochen lang im Iran sein, aber ich wußte, daß ich viel lernen konnte, wenn ich dazu bereit war.
Aus zwei Wochen wurden dann 80, und schließlich hatte ich mehr Stoff, als mir lieb war. Ich plante zwar nach wie vor, ein Buch zu schreiben, aber ich verschob das Projekt auf unbestimmte Zeit.
Am zweiten Abend nach unserer Rückkehr nach Michi-gan trat eine wichtige Veränderung in meinem Leben ein. Es war Samstagabend, und John, Mahtab und ich waren mit Karen McGinn und Doug Wenzel, Freunden aus Alpena, zum Essen verabredet. Wir hatten im Iran kein Auto gehabt, 27
und ich saß nach anderthalb Jahren zum erstenmal wieder am Steuer. Es war verwirrend und wundervoll zugleich. Unser neuer, mitternachtsblauer Ford war vor unserer Abreise kaum benutzt worden, und ich genoß seine Fahreigenschaften und schwelgte in dem mit Samt ausgekleideten Innenraum. Was für ein Unterschied zu den eckigen, klapprigen Pakons, die die Straßen von Teheran verstopften!
Während wir mit unseren Freunden aßen, ließ meine innere Anspannung etwas nach, und ich konnte zum erstenmal darüber sprechen, was Mahtab und mir zugestoßen war. Für meine Familie war es allzu schmerzlich gewesen, sich die Einzelheiten unserer Qualen und unserer Flucht anzuhören, aber meine Freunde waren wie gebannt von dem, was wir erzählten. »Du mußt unbedingt ein Buch schreiben!« rief Karen, als ich geendet hatte.
»Das will ich ja«, sagte ich. »Aber zuerst muß ich Arbeit finden. Ich habe keinen Cent mehr.«
Doch Karen ließ nicht locker. »Mein Bruder arbeitet bei einem Verlag in Chicago. Soll ich ihn anrufen und fragen, wie man so was anfängt?«
»Klar«, sagte ich. Ich war schläfrig. Zwei Wochen lang hatte ich kaum ein Auge zugetan, und hier, in entspannter Atmosphäre und nach einem Glas Champagner, merkte ich plötzlich, wie müde ich war. Die Idee, ein Buch zu schreiben, klang noch sehr unwirklich.
Am Sonntag wurde mein älterer Sohn Joe 20, und ich
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