02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
Futterstellen in unserem Hof versammelt. Zu den ersten Worten, die meine Tochter sprach, gehörten Vogelnamen. Wir lauschten dem Gesang, und es war, als hätten wir alte Bekannte wiedergetroffen.
Bald nach dem Anruf von Barbara Walters kam ein Regisseur zu uns nach Michigan und entschied, was aufgenommen werden sollte. Wenige Tage später wurde für Mahtab, John und mich ein Flug nach New York gebucht, wo wir uns mit Barbara treffen sollten. Joe, mein Ältester, lehnte ab. Er wollte nicht berühmt werden.
Beim Anflug auf New York sah ich die Freiheitsstatue mit neuen Augen: Stolz erhob sie sich vor uns, und ich wußte jetzt besser, wofür sie stand.
Wir wohnten im Park Lane Hotel, mit Aussicht auf den Central Park. Unser Interview fand im Mayflower um die Ecke statt. Als wir den Raum betraten, versuchte der Kameramann, Mahtab von mir wegzulocken, doch Mahtab klammerte sich an meinen Rock, als ob es um ihr Leben ginge. »Komm her«, winkte der Mann. »Deine Mommy kann dort bleiben.« Er sagte Mahtab, sie könne mich durch die Kamera beobachten, aber meine Tochter dachte nicht daran, sich jemals wieder durch irgendwen von mir trennen zu lassen. Sie schrie und klammerte sich nur fester an mich. Es war keine leichte Aufgabe für John und mich, sie zu beruhigen, damit wir mit den Aufnahmen beginnen konnten.
Wir mochten Barbara sehr gern, und sie schien aufrichtig an unserer Geschichte interessiert zu sein. Als die Auf nah -
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men beendet waren, saß Mahtab bereits auf Barbaras Schoß und ließ sich küssen und umarmen.
Barbara hatte uns vorzügliche Plätze für das Broadway-Musical Cats reservieren lassen; wir saßen ganz vorn an der Bühne, und während der Vorstellung kamen Schauspieler herbei und sprachen Mahtab an. Nach der Vorstellung schlug Barbara vor, im Benihana, einem japanischen Restaurant, zu Abend zu essen. Es war ein Lieblingsrestaurant ihrer Tochter.
Monate später, als ich mit meinen Kindern nach einem Haus für uns suchte, stellte Mahtab nüchtern fest: »Ach, wir könnten doch nach New York ziehen. Wir haben Freunde dort. Wir sind mit Barbara Walters befreundet.«
Die Aufnahmen wurden am 20. Juni 1986 gesendet, an Moodys Geburtstag. Doug und Karen gaben in Alpena für uns eine Party, und viele gute Freunde sahen sich zusammen mit uns das Programm an. Am selben Abend mußte Dad wieder so schnell wie möglich mit dem Krankenwagen in die Klinik gebracht werden. Die Krankenschwestern schalteten 20/20 ein, als er hineingerollt wurde, aber er war zu schwach, um sich die Sendung ansehen zu können.
Neue Eßgewohnheiten spiegelten die Veränderungen in meinem Leben wider. Während der ersten beiden Monate im Iran, als ich gegen Depressionen und gegen die Ruhr ankämpfte, verlor ich fast 25 Kilo. Ich war dünner als in meiner Schulzeit, und meine Wangen waren eingefallen. Erst als ich mich bewußt entschloß, um Mahtabs willen zu überleben, erreichte ich wieder mein normales Gewicht.
Nach meiner Rückkehr in die Staaten war ich dann plötzlich umgeben von all den guten Dingen, die ich im Iran so vermißt hatte: Käse, Senf und ein gelegentliches Glas Wein, das nach islamischem Gesetz streng verboten war.
Vor allem Süßspeisen zogen mich an. Bis dahin hatte ich eigentlich nie viel Süßes gegessen. Als ehemaliges Mitglied
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der Weight Watchers wußte ich, daß ich Süßigkeiten nicht vertrug. Doch nun, nach einer langen Zeit erzwungener Selbstverleugnung, hatte ich Gelegenheit, mich daran gütlich zu tun. Meine Familie ermutigte mich auch noch: »Greif zu, es ist genug da. Im Iran gab es das nicht.« Es wurde noch schlimmer, als Dad, der die Operation entgegen ärztlicher Prognose wieder überstanden hatte, einen ausgeprägten Appetit auf Geleekrapfen mit Zuckerguß entwickelte. Er wollte nie allein essen. »Iß doch auch einen«, sagte er zu mir, und ich tat ihm den Gefallen.
Um es kurz zu machen: Ich nahm so schnell wieder zu, wie ich abgenommen hatte - und noch etliches mehr -, und habe seither mit Übergewicht zu kämpfen. »Das ist ja unglaublich«, sagte ich voriges Jahr zu Mahtab. »Ich habe so viel zugenommen und bin einfach nicht stark genug, wieder abzunehmen. Ich sollte wirklich ganz andere Sachen essen.«
Mahtab sah mit ihren großen braunen Augen zu mir auf und meinte unschuldig: »Aber Mom, du ißt doch genug.
Du brauchst doch nicht mehr.«
Als die Gelegenheit kam, den verhaßten Tschador, das zentrale Symbol der Unterdrückung der Frauen im Iran, endlich loszuwerden, reagierte
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