02 - Die ungleichen Schwestern
davon, einen netten Kavalier kennenzulernen,
der sie interessant genug fand, um sich mit ihr zu unterhalten, und sie
verbannte Lord Tregarthan entschlossen aus ihren Gedanken.
Bei der
Abendgesellschaft gab es so viel Gedränge und Geschubse, dass es fraglich
gewesen wäre, ob die arme Jane, die mit dem Auftrag, sich nicht vorn Fleck zu
rühren, in eine Ecke des hinteren Salons gesetzt worden war, Lord Tregarthan
überhaupt gesehen hätte, wären da nicht zwei günstige Umstände gewesen. Bevor
die Gesellschaft begann, hatte nämlich der normalerweise so enthaltsame
Rainbird zu lange und zu tief ins Glas geschaut, und Euphemia hatte sich ihm
gegenüber unverschämt benommen.
Als
Rainbird feststellte, dass er zum ersten Mal seit vielen Monaten Geld in der
Tasche hatte, stahl er sich zum »Running Footman« davon, dem Pub, das von den
besseren Dienern besucht wurde, und traf dort Blenkinsop, Lord Charteris'
Butler von nebenan.
Blenkinsop
beklagte sich über die Kohlenlieferung, die er im Keller vorgefunden habe. Er
habe die beste Qualität bestellt, bevor sie aufs Land gingen, erzählte er, und
jetzt stimme zwar die Menge, aber durch irgendeinen merkwürdigen Umstand seien
die Kohlen von der denkbar schlechtesten Sorte.
Rainbird
gab sich alle Mühe, Blenkinsop von der Kohle abzulenken, indem er über seine
neuen Dienstherren sprach, und merkte dabei gar nicht, dass er beim Reden zu
viel und zu schnell trank. Der heiße Ginpunsch auf leeren Magen denn Rainbird
war den ganzen Tag nicht zum Essen gekommen - stieg ihm ziemlich zu Kopf,
und als er in die Clarges Street zurückkam, fühlte er sich wie ein anderer
Mensch: viel bedeutender, größer und stärker und fast wie der Besitzer des
Hauses, nicht wie der Butler. Aber zu seinem Pech ging Euphemia gerade durch die
Eingangshalle, als er eintrat.
»Wo
sind Sie gewesen?« fuhr sie ihn an. »Mama hat immerzu geklingelt, und Jane hat
ihren Tee noch nicht gehabt.«
»Ich
werde mich augenblicklich um Miss Janes Tee kümmern«, sagte Rainbird, vergaß
dabei aber seine Stellung und ließ seine Abneigung gegen diese bornierte
Schönheit in seinen ausdrucksvollen grauen Augen aufblitzen.
»Miss
Jane! Miss Jane!« spottete Euphemia und warf den Lockenkopf zurück. »Es wird
viel zuviel Getue um meine kleine Schwester gemacht. Ich bin es, die in die
Gesellschaft eingeführt wird. Diese Einladung findet zu meinen Ehren statt.
Jane soll im hinteren Salon sitzen und nicht weiter auffallen. - Ich
werde gut auf Sie aufpassen«, sagte sie dann und blickte den Butler von oben
bis unten an. Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte die Stufen
hinauf. Rainbird sah ihr nach. Es ist erstaunlich, überlegte er, wie ein hässlicher
Charakter selbst die größte Schönheit zerstört.
Rainbird
hatte in seinem Berufsleben schon viele Angriffe, Zurücksetzungen und
Demütigungen erfahren. Welcher Diener hatte das nicht? Aber der übermäßige
Gingenuss machte ihn reizbar und empfindlich und erfüllte ihn mit einem ihm
sonst fremden Bedürfnis, es Miss Euphemia heimzuzahlen.
Die
ersten Gäste standen schon fast vor der Tür, als Mrs. Hart der Küche ihre
Absicht übermittelte, dass sie mit der Tradition zu brechen gedenke und den
Herren Wein und den Damen Negus (eine Mischung aus heißem gezuckerten Wein und
Wasser servieren wollte. Die sonst so knauserige Mrs. Hart litt an ihrem ersten
Anfall von »Lampenfieber« und war davon überzeugt, dass ihre Gäste
nachsichtiger sein würden, wenn sie etwas angeheitert waren. Die Diener stoben
in alle Richtungen zu den Weinhändlern davon, um in letzter Minute die
Bestellungen aufzugeben.
Euphemia,
überwältigend schön in einem pinkfarbenen Seidenkleid mit dazu passendem
Gazeturban auf den Locken, nippte zierlich an einem Glas Negus aus der Bowle,
die Rainbird gerade im vorderen Salon auf einen Spiritusbrenner gestellt hatte.
Sie zog ein Gesicht und sagte: »Puh! Schmeckt das wässerig! Sie sollten
aufhören, sich auf Mamas Kosten zu bereichern, Rainbird. Nehmen Sie den Negus
wieder mit und machen Sie ihn stärker.«
»Sie
werden mit mir zufrieden sein«, erwiderte Rainbird, nahm die riesige Silberbowle
von der Flamme und ging auf die Tür zu. Nur Jane sah das boshafte Lächeln, das
seinen Mund umspielte.
»Der
Glühwein soll sie zum Glühen bringen«, murmelte er, als er das Gefäß auf dem
Küchentisch abstellte. Er goss den Inhalt in eine große Kanne um und füllte die
Bowle dann mit Zucker, Wein, Brandy, Gin und Arrak. Zufrieden mit
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