02 - Die ungleichen Schwestern
sich reichte
er dem Koch ein Glas. »Da, Angus«, sagte er. »Sag mir, was du davon hältst.«
»Weiberplörre«,
murrte der Koch und stürzte es in einem Zug hinunter. Er schnappte verzweifelt
nach Luft und klammerte sich am Küchentisch fest, um nicht umzufallen. »Meiner
Treu«, brachte er heiser hervor, »ich habe das Gefühl, dass mir jemand einen
Magenschwinger versetzt hat.«
»Ausgezeichnet«,
erwiderte Rainbird förmlich. Er strich seine Weste glatt, nahm die Bowle und
trug sie wieder nach oben. Als er im Salon ankam, fuhren draußen gerade die
ersten Kutschen vor. Nicht nur die Wohnräume im Erdgeschoß, die aus dem
vorderen und dem hinteren Salon bestanden, sondern auch das Schlafzimmer von
Mr. und Mrs. Hart und das Speisezimmer daneben waren für die Abendgesellschaft
ausgeräumt worden.
jedermann
hatte gehört, dass Mr. Brummell da sein werde, und so kam alles, was Rang und
Namen hatte.
Jane
saß in ihrer Ecke, strich ihr Seidenkleid glatt und sah sich mit großen Augen
um. Sie fühlte sich ganz anders als sonst. Keiner, nicht einmal Jane selbst,
hatte vor diesem Abend gemerkt, dass sie einen sehr hübschen Busen hatte. Das
satte Burgunderrot des Kleides, das Felice' geschickte Hände gewagt weit
ausgeschnitten hatten, schmeichelte ihrer Haut und verlieh ihr im Kerzenlicht
einen warmen Goldton. Ihr dickes Haar hatte Felice gebürstet und pomadisiert,
bis es glänzte und seine schwarzbraune Fülle durch rötliche Strähnen belebt
war.
Euphemia
hatte anfangs recht schüchtern neben ihren Eltern gestanden, um die Gäste zu empfangen,
aber ein einziges Glas von Rainbirds Gebräu hatte Wunder bewirkt, und jetzt
lachte und flirtete sie zu Janes Überraschung hemmungslos; Jane hatte erwartet,
dass sich ihre Schwester in London sittsamer betragen werde.
Auch
Mrs. Hart lachte laut und geradezu vulgär. Die Gäste probierten alle den Negus.
Rainbirds neue Mischung kam ungeheuer gut an.
Plötzlich
trat Stille ein, jedermann reckte den Kopf, weil Mr. Brummell das Haus betrat.
Alle Gäste drängelten sich in den vorderen Salon und Jane war wieder sich
selbst überlassen. Die Flügeltüren, die sonst den vorderen vom hinteren Salon
trennten, blieben jedoch geöffnet.
Jane
vermutete, dass sich unter den Gästen zahlreiche Berühmtheiten befanden. Sie
sahen jedenfalls so aus, als erwarteten sie, erkannt und bewundert zu werden.
Sie musste allerdings ein gewisses Gefühl der Enttäuschung hinunterschlucken,
als sie mit ihren großen Augen die Herren begutachtete. Sie waren herausgeputzt
wie die Damen und benahmen sich auch genauso affektiert. Zum dunklen Abendanzug
trugen sie eine Hemdbrust aus feinem Batist und eine raffinierte Halskrause,
dazu weiße Seidenstrümpfe; unter dem Arm hielten sie einen flachen Dreispitz.
Sie sprachen laut und gedehnt und versuchten, der Konversation mehr Gewicht zu
geben, indem sie sich ständig verbeugten, ihre Schnupftabaksdosen öffneten und
schlossen und mit ihren Spitzentaschentüchern in der Luft herumwedelten.
Wieder
entstand eine kleine Pause im allgemeinen Gespräch, und dann ging es munter
plätschernd weiter. Eine andere wichtige Persönlichkeit war angekommen. Der
Neuankömmling war Beau Tregarthan mit Mr. Nevill im Gefolge.
»Was
für ein Gedränge!« bemerkte der Beau zu Rainbird, als er ihm in der Halle seinen
Stock übergab. »Und wo finde ich unter all den Damen die schöne Miss Hart?« Euphemia
und Mrs. Hart hatten sich mittlerweile unter die Gäste gemischt, und Mr. Hart
stand schlechtgelaunt am Fenster und schaute auf die Straße hinaus. Rainbird blickte
zu Beau Tregarthans schönem Gesicht auf. Einen solchen Treffer sollte die grausame
und unverschämte Euphemia nicht erzielen. »Miss Hart sitzt ganz zurückgezogen
im hinteren Salon, Mylord«, sagte Rainbird. »Wenn Sie mir folgen wollen ... Mylord
... Mr. Nevill, statt Sie anzumelden, kann ich Sie von der Halle aus durch eine
Tür geleiten, die direkt in den hinteren Salon führt.«
»Gehen
Sie voraus«, forderte ihn Lord Tregarthan gutgelaunt auf. Die Abendgesellschaft
schien ungewöhnlich lärmend zu sein. Es war dennoch seltsam, dass sich eine
solch berühmte Schönheit wie Miss Hart dazu entschied, sich von den Leuten
abzusondern.
Rainbird
verbeugte sich vor Jane und sagte: »Lord Tregarthan und Mr. Nevill wünschen
Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Hart.«
Sich
dem Mann ihrer Träume gegenüber sehend, sprang Jane wie von der Tarantel
gestochen auf, errötete über und über und versank in einen
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