02 - Die ungleichen Schwestern
sollte denken, Ihre Mama hätte eine Menge sparen können, indem sie Sie
beide zur gleichen Zeit einführt.«
Jane
blickte auf ihre Hände. Sie zitterten ein bisschen, und deshalb versteckte sie
sie in ihrem Schoß. »Ich bin keine Schönheit«, sagte sie ganz leise, »und ich
werde auch nie der Mode entsprechen.«
Er sah
sie nachdenklich an. »Ihre Augen sind schön, und die Wärme Ihres Teints ist
ganz ungewöhnlich und attraktiv. Um der Mode zu entsprechen, ist es notwendig,
aus dem Rahmen zu fallen, irgend etwas ganz Verrücktes zu tun. Was könnten Sie
denn z.B. machen? Sie könnten vielleicht rückwärts nach Brighton laufen?
Zigarren rauchen? Da drüben steht Lord Alvanley. Auf seiner Anrichte steht
immer Aprikosentorte, morgens, mittags und abends. Der Mann mit der
scharfgeschnittenen Nase da drüben ist Lord Petersham. Er hat den besten
Tabakkeller in Europa. Er war es auch, der seinem Kammerdiener befohlen hat,
sechs Flaschen Sherry neben sein Bett zu stellen und ihn erst am übernächsten
Tag zu wecken.«
»Ich
stelle fest, dass Sie nur von Herren sprechen«, sagte Jane fasziniert. »Was ist
mit den Damen?«
»Ah, das
ist es ja gerade!« rief er. »Nicht eine einzige Angehörige des schönen
Geschlechts hat je wirklich versucht, exzentrische Gewohnheiten zu pflegen.«
Jane
lachte. »Wie können wir nur über solchen Firlefanz reden? Man sollte denken,
wir seien nicht im Krieg.«
Hinter
den blauen Augen wurde es ganz still, und dann waren sie wieder fröhlich. »Wie
finden Sie meine Weste?« fragte er. »Ich habe den Stoff in Rom aufgetrieben.
Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass die Seide ganz fein gestreift ist.«
Jane kämpfte
mit einem Gefühl der Enttäuschung: Der hinreißende Held ihrer Träume war nur an
Mode und Klatsch interessiert. Im Grunde aber war sie froh über die
Enttäuschung, die es ihr leichter machen würde, Lord Tregarthan zu vergessen.
Denn tief in ihrem Inneren sagte ihr eine warnende Stimme, dass dieser Lord
himmelhoch über ihr stand und dass sie selbst an der Schwelle einer tiefen
Liebe stehen könnte, die ihr unendliches Leid brächte, wenn sie nicht erhört
wurde.
»Sie
waren es doch«, sagte sie mit leiser Stimme, »der Jack Death besiegte?«
»Das
ist eine Weile her. ja, ich war es.«
»Ich
war dabei«, sagte Jane.
»Bei
einem Boxkampf?«
»Ich
war damals erst zehn Jahre alt. Ich habe mich so verkleidet, dass man mich für
einen jungen hielt, aber ich bin von einem Baum gefallen, und der Schmied hat
mich erkannt und nach Hause geschickt.«
»Bloß
gut«, meinte der Beau sehr belustigt. »Es ist viel Blut geflossen.«
»Warum
haben Sie gekämpft?« wollte Jane wissen. Ihre Hände waren ineinander verkrampft
und ihre Augen flehentlich auf ihn gerichtet. Wenn er doch nur noch einmal zum
Helden ihrer phantastischen Träume würde!
»Nun,
ich hatte sehr viel Geld auf meinen Kandidaten gesetzt, das muss ich zugeben,
und als der Bursche krank wurde, blieb mir ja wohl nichts anderes übrig, als
selbst zu kämpfen. Meine Güte, wie ich meine Hände zugerichtet habe. Ich musste
sie wochenlang in >Olympischem Tau< baden, um sie wieder weiß zu
bekommen.«
»Ach«,
machte Jane nicht gerade geistvoll. Er hatte also nur um Geld gekämpft, und
seine einzige Sorge war danach das Aussehen seiner Hände gewesen. Aber um was
sollte er denn sonst kämpfen? spottete eine kleine Stimme in ihrem Kopf. Um die
Liebe einer schönen Jungfrau? Für seinen König?
»Warum
liegt auf diesem Haus ein Fluch?« hörte sie ihn fragen.
»Weil
sich der Duke of Pelham hier erhängt hat«, antwortete Jane, »und Miss Clara
Vere-Baxton, die Tochter der Leute, die das Haus im Jahr darauf gemietet
hatten, tot im Green Park aufgefunden wurde. Miss Clara interessiert mich
ungeheuer, müssen Sie wissen. Es hat nämlich niemand feststellen können, woran
sie gestorben ist. Es war keinerlei Verletzung an ihrem Körper zu sehen.«
»Dann
müssen wir selbstverständlich herausfinden, woran sie gestorben ist«, sagte
Lord Tregarthan und nahm eine Prise Schnupftabak.
»Wir?«
fragte Jane ohne Überzeugung.
»Warum
nicht?«
In
diesem Augenblick fing Jane die eifersüchtigen Blicke auf, die ein paar Damen
im vorderen Salon in ihre Richtung warfen. Lord Tregarthan war schließlich eine
hervorragende Partie. Und auch wenn sie sich bereits eingeredet hatte, dass er
von seinem Sockel gestürzt war, war es doch wundervoll, das erste Mal im Leben
beneidet zu werden. Außerdem hatte er ihre Augen und den Ton
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