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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Piccadilly ein und wollten gerade um
die Ecke Clarges Street fahren, als Jane sich am Geländer festklammerte und
rief: »Halt!«
    Überrascht
hielt Lord Tregarthan die Pferde an.
    »Joseph!«
schrie Jane. »Sie bringen Joseph um«, und bevor er sie aufhalten konnte, war
sie schon leichtfüßig aus der Kutsche gesprungen und auf die Tore des Green
Park zugerannt.

    Joseph hatte
Besorgungen gemacht. Mrs. Hart hatte ihn weggeschickt, um rosa Schleifen zur
Verzierung eines Kleides zu kaufen - eine Tätigkeit, die Joseph als unter
seiner Würde betrachtete. Dickköpfig wie er war, beschloss er einen Spaziergang
im Green Park zu machen, denn das Wetter war schön, und er hatte keine Lust, in
die Nummer 67 zurückzukehren und den Rest des Tages mit Holen und Tragen zu
verbringen.
    Er sah
drei brutal aussehende Kerle, die sich über etwas beugten, und scheute
ängstlich zurück. Joseph fürchtete sich vor den niederen Ständen, die sich oft
einen Spaß daraus machten, Lakaien in Livree zu quälen.
    Dann
hörte er ein klägliches Miauen. Er konnte nicht anders, er musste schauen, was
es da gab. Einer von den Männern presste eine Katze gegen den Boden. Es war die
süßeste Katze, die Joseph je gesehen hatte, mit braun-golden gestreiftem
Fell. Sie hatte goldene Augen, schöne Augen, die Joseph um Hilfe anzuflehen
schienen. Ein anderer Kerl zog sein Taschenmesser heraus. »Jetzt wollen wir der
Muschi erst einmal die Augen ausstechen«, sagte er.
    »Genau«,
stimmten ihm seine Freunde fröhlich zu.
    Irgendwo
tief drinnen in Josephs selbstsüchtiger, empfindlicher, duckmäuserischer Seele
sagte eine Stimme: »Nein, das machst du nicht«, und zu seinem Entsetzen merkte
er, dass die Worte aus seinem Mund gekommen waren, und nicht etwa flüsternd,
sondern ganz laut und klar.
    Der
Grobian, der das Messer hielt, richtete sich auf. »Was hast du gesagt?« fragte
er.
    Joseph
war schon daran, »Nichts« zu sagen und sich mit den Knien davonzumachen, aber
seine Beine wollten zittern sich nicht bewegen, und seine Stimme sagte laut: »Lasst
die Katze in Frieden. Die Katze gehört mir.«
    Die
Kerle begannen geziert auf und ab zu stelzen, die Hände auf den Hüften, und
Josephs affektierten Ton nachzuäffen. Sie hatten die Katze losgelassen.
    »Lauf«,
flehte Joseph die Katze stumm an. »Lauf doch weg, dann lauf ich mit dir.«
    Aber
die Katze blieb sitzen und duckte sich gegen den Boden. Der Anführer der Kerle,
der die Katze festgehalten hatte, wandte sich um und drehte Joseph eine lange
Nase.
    »Miau«,
machte die Katze.
    Joseph
hatte noch nie in seinem Leben eine Herausforderung angenommen. Nie. Das
letztemal hatte er mit Luke, dem Lakaien der Charterises, gekämpft. Aber Luke
hatte ihn nicht einmal gefragt, ob er kämpfen wolle. Er hatte ihn einfach
angegriffen. Wieder wartete er darauf, dass sein Gehirn den Beinen den Befehl
gab, sich zu bewegen. Stattdessen befahl ihm sein Gehirn, seinen schwarz-goldenen
Überrock auszuziehen und ihn sorgfältig auf das Gras zu legen.
    »Auf
geht's! Eine Rauferei!« riefen die zwei Kameraden des Anführers. Der Anführer
selbst spuckte sich in die Hände und ging auf Joseph zu. Dann blinzelte er
seinen Freunden zu, und sie machten sich alle über Joseph her.
    In den
ersten Sekunden halfen Joseph die nackte Angst und die rasende Wut, die ihn
gleichzeitig ergriffen hatte, und er streckte zwei von den Männern zu Boden.
Weder Rainbird noch MacGregor hätten den sonst so weichlich-femininen
Lakaien in dem Joseph, der mit der Treffsicherheit von Mendoza und der Kraft
von Jackson Fausthiebe austeilte, erkannt. Aber schließlich gelang es zweien
der Kerle, Josephs Arme zu ergreifen und ihn so herumzudrehen, dass er dem
dritten Auge in Auge gegenüberstand, der gerade mit der Faust ausholte, um sein
Gesicht zu zerschmettern.
    Joseph schloss
die Augen.
    Wunderbarerweise
lockerten sich die Griffe um seine Arme, und er hörte Schreckensrufe und eine
weibliche Stimme schreien. »Hilfe! Mord! Wache!«
    Joseph
öffnete die Augen. Jane Hart sprang auf und ab und schlug Josephs Gegner ihren
Sonnenschirm auf den Kopf.
    »Prominenz!
Eine Noblige«, schrie der Anführer gellend. Sie rannten Hals über Kopf den Park
hinunter auf den Buckingham Palast zu. An Jane vorbei donnerte Lord Tregarthan,
der die Verfolgung aufgenommen hatte. Während Jane sich an Joseph klammerte,
beobachteten beide, wie Lord Tregarthan die Raufbolde einholte, und Joseph
schrie vor Vergnügen, als die Kerle durch die Luft flogen.
    »Lord
Tregarthan

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