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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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gar nicht, dass sie diese Furcht in sich tragen. Aber ich kann sie sehen - die Furcht derer, die einen Verlust erlitten haben, über den sie nicht hinwegkommen. Sie steht ihnen ins Gesicht geschrieben, verrät ihre Sorge, wieder etwas Ähnliches erleiden zu müssen.“ Ich kann sie inzwischen auch erkennen, diese Unsicherheit. Sie wohnt in den Augen unzähliger Menschen. Auch in Magdalenas. Vielleicht sogar in meinen eigenen, das kann ich natürlich nicht selbst beurteilen.
    In der Menge der fremden Menschen suchte Magdalena nicht mich, sondern Mutter. Sie lief direkt an mir vorbei, ich roch ihr Parfüm, der weiche Stoff ihrer Kleidung streifte flüchtig meine Hand. Sie war zum Greifen nah. Und doch schien sie weiter entfernt als in all den Jahren zuvor. Plötzlich schoss mir eine unglaublich banale Frage durch den Kopf: Wie sollte ich sie ansprechen?
    Konnte ich einfach „du“ sagen? Mit einem Mal fiel mir kein einziges deutsches Wort mehr ein. Mein Hirn war leer und mein Herz so voll.
    Amara spürt, wenn Menschen zusammengehören. Sie verstellte meiner deutschen Schwester daher einfach den Weg. „Welcome to Nigeria, Magdalena!“, sagte sie.

    Und ich stand da wie ein Dummkopf, ein paar Schritte von ihr entfernt, während die Leute mich immer wieder zur Seite drängten. Dabei hatte ich mir extra für den Flughafen richtige Schuhe angezogen, obwohl ich gar nicht daran gewöhnt bin, welche zu tragen. Ich passte wohl nicht richtig auf, wurde angerempelt und fiel hin. Da sah sie auf mich herunter, wie ich reglos und völlig verdattert am Boden lag. In meinem schönen weißen Kleid. In diesem Augenblick kam ich mir vor wie ein kleines Kind.
    Wie sie mich angesehen hat! So voller Mitgefühl. Mutter hat mich auch immer so angesehen, wenn mir wieder einmal etwas sehr Dummes passiert war.
    Im Fallen war mir das Foto aus der Hand geglitten. Nun lag es neben mir.
    Magdalena stellte ihre Koffer ab und bückte sich, um mir die Hand zu reichen.
    Das war unsere erste Berührung.
    Sie half mir hoch und sagte meinen Namen: „Choga Regina?“ Ich nickte stumm, mit zusammengepressten Lippen. Weil ich mich so schämte für diesen misslungenen Auftritt. Ich wollte es wieder gutmachen und ihre Koffer tragen.
    „Die sind nicht schwer“, wehrte sie ab. Vom ersten Augenblick an sprach sie mit mir Deutsch. So wie Mutter es immer getan hatte.
    Gehen in Deutschland eigentlich alle so schnell?, fragte ich mich stumm. Ich hatte immer das Gefühl, Mutter würde rennen, wenn sie aus ihrer Heimat zurückkam. Ich konnte auch Magdalenas Tempo nicht mithalten. Denn ich habe dieses Beinproblem. Bei mir dauert alles ein bisschen länger. Auch das Laufen. Darum lasse ich die Schuhe meistens ganz weg. Barfuß bin ich besser unterwegs.
    Obwohl sie vor mir her eilte, entging mir nicht, dass meine Schwester nach Mutter Ausschau hielt. Aber sie fragte erst, als wir an Amaras Auto standen: „Ist Mama denn nicht mitgekommen?“
    Noch immer hatte ich keinen Ton hervorgebracht.
    Magdalenas Blick wanderte von Amara zu mir und wieder zurück: „Was ist mit ihr?“ Sie stellte die Koffer ab und sah mich an. Mit diesem Blick, der direkt aus Mutters Augen zu kommen schien. Dem ich mich nicht entziehen konnte, weil ich darin die Verletzbarkeit erkannte. Und wusste, dass Magdalena wieder wehgetan würde. Mein eigener Schmerz war zu groß, um meiner Schwester in diesem Augenblick helfen zu können.
    Da machte Amara etwas ganz Wunderbares: Sie breitete ihre starken Arme aus und schob uns auf ihre direkte Art aufeinander zu. „Ihr seid Schwestern“, sagte sie aufmunternd. „Also begrüßt euch auch wie Schwestern.“ Die alte Frau schubste mich sogar ein bisschen. Das war unsere erste Umarmung. Ich glaube, Magdalena war sie ein bisschen unangenehm. Zuerst rührte sie sich nicht. Dann spürte ich ihre Hände auf meinem Rücken; das gab mir die Kraft, auch sie zu umarmen. Als wir so stumm dastanden, wünschte ich mir, dass dieser Augenblick ewig dauern werde.
    Ich selbst bin in meinem Leben nicht sehr viel gereist. Aber wenn, dann war jede Fahrt mit einer Hoffnung verbunden. Am Ziel irgendjemanden oder irgendetwas zu finden, das ich dort nicht hatte, von wo ich aufgebrochen war.

    Magdalena war so weit geflogen, hatte sich jahrzehntelang auf das Wiedersehen mit unserer Mutter gefreut. Nun war sie gerade angekommen und ich musste ihr sagen, dass unsere Mutter, die sie wieder zu finden gehofft hatte, gestorben war.
    Magdalena war genau einen Tag zu spät

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