02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Doch dann umarmte ich Mutter voll Dankbarkeit und Schmerz. „Wir werden bestimmt dort glücklich. Und du wirst dich erholen. Dann fahren wir gemeinsam nach Jeba. Wir alle: du, Mama Bisi, Josh und ich. Wir zeigen Magdalena unser Paradies.“
„Es wird kein Paradies mehr sein, mein Kind. Fünf Jahre sind eine lange Zeit.
Ihr werdet dort ganz von vorn anfangen müssen.“
„Aber wir haben unser Zuhause wieder!“, rief ich voller Begeisterung.
„Ich weiß nicht, ob ich das noch schaffe. Meine Kraft lässt nach.“ Ihre Stimme klang matt und ohne jede Hoffnung.
„Unsinn, du schaffst es.“ Ich erzählte Mutter von meiner Zeit im Busch, von all dem, was ich gelernt hatte.
Sie hörte mir zu und sagte: „Du hast etwas aus dir gemacht, Choga Regina.
Darauf kannst du stolz sein.“
„Ach, Lisa, wie hört sich denn das an?“ Mama Bisi war plötzlich voller Leben!
„Siehst du denn nicht, dass unsere Kleine eine glänzende Zukunft vor sich hat?
In Jeba gibt es nur diese windige Heilerin, die nichts von ihrer Arbeit versteht.
Choga wird sich vor Patienten nicht retten können! Sobald Magdalena angekommen ist, werden wir mit ihr hinfahren. Du wirst sehen, wie du aufblühst. Nur wer aufgibt, dessen Leben ist auch zu Ende.“
„Du bist ein Schatz, meine liebe Bisi. Gut, dann werde ich eben wieder gesund.
Aber jetzt muss ich schlafen.“
Es waren die letzten Worte, die ich meine Mutter sagen hörte. Am Abend bekam sie hohes Fieber. Sie wurde auf der Stelle ins Krankenhaus gebracht, doch es konnte ihr niemand mehr helfen. Ihre Organe versagten. Todgeweiht und bereits nicht mehr ansprechbar wurde sie in den Compound zurückgebracht. Zwei Tage später starb sie. Es war der Gründonnerstag.
„24 Stunden später bist du auf dem Flughafen von Lagos angekommen“, wandte ich mich wieder Magdalena zu, die meinem Bericht wie gebannt gelauscht hatte.
Es war inzwischen draußen schon wieder hell geworden. Mit neuer Kraft schob sich die Sonne langsam am Himmel empor.
„Wann wollen wir nach Jeba fahren?“, fragte meine Schwester schlicht, als ich geendet hatte. „Heute noch?“
„Es wird Zeit, dass meine Mutter heimkehrt in ihr Paradies.“
„Unsere Mutter, Choga, unsere Mutter“, wiederholte Magdalena nachdrücklich.
Ich hörte ein zartes Klopfen an der Tür und Joshua schob seinen dunklen Lockenkopf herein. „Seid ihr schon wach, Mama? Oma Bisi hat gesagt, ich soll euch nicht stören, ihr würdet noch schlafen. Aber Oma Bisi räumt da unten schon ihre Sachen zusammen. Da dachte ich, ich sollte euch besser wecken.“
Neugierig betrachtete er meine deutsche Schwester. „Ich bin Josh. Bist du Tante Magdalena aus Deutschland?“
„Hallo Josh. Freust du dich darauf, auf einem Bauernhof zu leben?“
„Ja, ganz doll. Und hat Mama dir gesagt, dass wir einen Hund haben werden?
Einen ganz eigenen Hund. Ich weiß auch schon, wie er heißen soll. Willst du mal raten?“
„Lass mich mal genau nachdenken, vielleicht komme ich drauf.. Corn?“
„Genau! Woher weißt du denn das?“
Nachwort
Wenn ich heute über unsere wieder auferstandene Farm gehe, dann sehe ich Mutter überall. In jedem Brunnen, der uns Wasser spendet, in jedem Feld, das uns ernährt. Ohne sie gäbe es all das nicht. Ihr Vorbild zeigt mir, dass man sein Leben nicht nur für sich führen darf, sondern es auf andere ausrichten muss.
Egal, wie schlecht es einem geht. Ich wünsche mir, dass auch Joshua eines Tages in diesem Sinn denken und handeln wird. Und ich bete dafür, dass er lange genug leben wird.
Mit Mama Bisi, die nun Oma Bisi heißt, Josh und mir sind einige Frauen aus dem früheren Harem von Lagos auf die Farm gezogen. Ihre Kinder leiden an der gleichen Krankheit wie mein Josh. Zwei Mädchen aus der Nachbarschaft leben auch bei uns. Sie haben ihre Eltern durch die Seuche verloren. Wir geben ihnen ein neues Zuhause.
Was wir nicht haben, ist eine Lehrerin. Aber wir erwarten Magdalena. Sie hat sich von ihrem Gymnasium in Deutschland beurlauben lassen. Mal sehen, vielleicht bleibt sie ja etwas länger. Oder.. für immer? Wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Hauptsache, wir leben.
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