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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Vergangenheit verschluckt, erkenne ich dennoch einen hochgewachsenen, dünnen, würdevollen und dröhnend tönenden Studenten, der entweder wie siebzehn oder wie siebenunddreißig aussehen konnte. Er weiß, wie man stillsteht und einem anderen Schauspieler in die Augen sieht. Er versteht sich darauf, einen Satz so vorzutragen, dass sich dessen Bedeutung mitteilt und, wenn nötig, auch dessen Erhabenheit. Er kann, wie man sagt, »die Schärfe verlagern«, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und von sich ablenken. Ich bin nicht sicher, was seine Fähigkeit betrifft, sich in eine andere Person zu versetzen, die Bühnenreise dieser Figur mit ihren Höhen und Tiefen zu durchleben, aber zumindest ist unwahrscheinlich, dass er zum Erröten peinlich wird.
    In dem Augenblick, als ich zum ersten Mal eine Bühne betrat, fühlte ich mich so sehr zu Hause, dass ich völlig vergaß, fast keine Erfahrung zu besitzen. Ich liebte einfach alles an der Schauspielerei. Ich liebte die Seiten an ihr, die man bespötteln könnte, ich liebte die spontane Kameradschaft und tief empfundene Zuneigung, die man für alle anderen empfand, die dabei waren, ich liebte die langen Gespräche über Motivationen, ich liebte Leseproben und Proben und technische Durchläufe, ich liebte es, Kostüme anzuprobieren und mit Make-up zu experimentieren. Ich liebte den Nervenkitzel kurz vor dem Auftritt, ich liebte die beinahe mystisch hyperästhetische Weise, auf die man auf der Bühne jede Mikrosekunde erlebte, liebte, dass man präzise sagen konnte, worauf die Aufmerksamkeit des Publikums in jedem spezifischen Moment gerichtet war, ich liebte dieaufregende Gewissheit, dass ich Hunderte Menschen durch die wandelbare Ausdruckskraft meiner Stimme in Bann schlug.
    So viel Freude daraus zu schöpfen, auf der Bühne zu stehen, liegt nicht daran, dass man die Liebe, die Aufmerksamkeit und die Bewunderung genießt. Es geht auch nicht darum, sich an der Macht zu erfreuen, die man über ein Publikum hat (oder zu haben glaubt). Es ist ganz einfach die Erfüllung. Man fühlt sich vollkommen lebendig und auf grandiose Weise vollendet, weil man weiß, dass man das tut, wozu man auf Erden ist.
    Vor nicht allzu langer Zeit begleitete ich einige weiße Nashörner auf einer Reise nach Kenia. Sie sollten aus der Tschechischen Republik, die alles war, was sie je gekannt hatten, überführt werden. Es war unendlich bewegend, mitanzusehen, wie diese Tiere die schweren Köpfe hoben und den weiten offenen Himmel über der Savanne, die Gerüche und Töne eines Lebensraums auf sich wirken ließen, dem sich anzupassen ihre Gene Millionen von Jahren gebraucht hatten. Die kurzen ungläubigen Grunzlaute, das Schwenken ihrer Hörner nach links und rechts und das Zucken in ihrem dicken Hautpanzer verrieten, dass sie irgendwo tief in sich spürten, dort zu sein, wo sie hingehörten. Ich möchte nicht behaupten, dass die Bühne meine Savanne ist, aber wenn ich sie betrat, spürte ich etwas von der aufwallenden Erleichterung und der Freude, endlich wieder zu Hause zu sein, wie sie die Nashörner auszudrücken schienen, als sie zum ersten Mal afrikanische Luft aufsogen.
    Es ist schade, dass die professionellen Erwachsenentheater einem nicht dasselbe Maß an Erfüllung und Spaß zugestehen. Studentische Produktionen werden nach drei oder höchstens fünf Vorstellungen abgesetzt,und dann bewegt man sich weiter, weil etwas anderes wartet. Genau das tat ich. Wieder und wieder.
     
    Im Ostertrimester erwacht Cambridge zum Leben und wird zu einem der herrlichsten Orte auf der Welt. Wie William Wordsworth, Alumnus des St. John’s College, es ausdrückte: »Ein Fest, in diesem Aufgang einer neuen Zeit zu leben. Und dabei noch jung zu sein, war wie der Himmel …!« Er bezog sich dabei weniger auf eine Maiwoche als auf die Französische Revolution, aber der Gedanke trifft doch besser auf Erstere zu, und ich möchte wetten, dass er in Wahrheit eher an Gartenfeste dachte als an Guillotinen.
    Der »Head of the River«-Wettkampf wird zweimal im Jahr auf dem Cam abgehalten, und die Boote der einzelnen Colleges drängeln sich darum, das vor ihnen aus dem Weg zu rempeln und dadurch einen Platz weiter nach vorn zu kommen. Der Fluss ist nicht breit genug, um eine Regatta zu ermöglichen, bei der Boote nebeneinanderfahren, und deswegen sind diese eigenartigen Lent- und May-Week-Bumps entstanden. Am Ufer zu stehen und mein College anzufeuern ist wahrscheinlich das »normalste« Cambridge-Verhalten gewesen, das

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