02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
die Wände holzgetäfelt. Einige der Paneele waren durchtrennt, so dass dahinter eingelassene Schränke und an einer Stelle sogar einStück Verputz mit mittelalterlicher Malerei zum Vorschein kamen. Es gab Bücherregale, eine gute Küche, Fensterplätze, antike Bleifenster aus Wellglas und dazu nicht zu verachtende Möbel. Mit unseren Büchern, Schallplatten, Gläsern und Geschirr, meiner Shakespeare-Büste, Kims Büste von Wagner, dem Schachspiel von Jaques und dem Plattenspieler von Bang & Olufsen waren wir so eingerichtet, dass wir uns vor keinem anderen Studenten der University hätten verstecken müssen.
In meinem Gedächtnis überblenden sich die drei Semester des zweiten Studienjahres und verschwimmen. Ich weiß aber, dass ich damals eingeladen wurde, Mitglied der Cherubs zu werden. Hurra! Die Initiationszeremonie verlangte das Leeren von Kübeln mit widerlichen und unmöglichen Mischungen aus Schnaps, Wein und Bier. Außerdem musste man die Bedeutung der drei Farben Smaragd, Navy und Lachs der Cherubs-Krawatte aufsagen: »Grün für Queens’ College, Blau für das Empyreum und Rosa für den Cherubpopo.« Eine weitere Pflichtaufgabe bestand darin, zu verkünden, was man zu tun gedenke, um der Sache der Cherubs und des Cherubismus dienlich zu sein. Ich kann mich nicht erinnern, was ich sagte, aber ich glaube, es war etwas Arrogantes wie der Vorsatz, die Krawatte bei jeder Gelegenheit zu tragen, wenn ich als berühmter Autor im Fernsehen auftrat. Michael Foale, ein weiterer Einzuweihender, verkündete, er werde der erste Cherub sein, der sich zu all den anderen Cherubim im Himmelreich gesellte. Das war ein ziemlich absurde Behauptung, denn Raumfahrer waren entweder amerikanische Astronauten oder russische Kosmonauten. Auf einer späteren Party der Cherubs und nicht ganz so sinnlos betrunken entdeckteich, dass er es absolut ernst gemeint hatte. Er war sowohl UK- wie US-Staatsbürger, denn seine Mutter war Amerikanerin. Er sprach bereits fließend Russisch, das er sich selbst beigebracht hatte, denn er ging davon aus, dass die Zukunft der Raumfahrt von der uneingeschränkten Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion abhing. Er war im dritten Jahr seiner Promotion in Astrophysik, und als Mitglied des Air Training Corps der RAF konnte er so gut wie alles fliegen, was entweder Flügel oder Rotoren hatte. Mir ist nie wieder ein so zielgerichteter und entschlossener Mensch begegnet. Sieben Jahre später wurde er von der NASA in die Astronautenausbildung aufgenommen. Fünf Jahre danach flog er seine erste Spaceshuttle-Mission und ging in den Ruhestand, nachdem er insgesamt mehr als ein Lebensjahr fern von der Erde verbracht hatte. Bis 2008 hielt er den amerikanischen Rekord für im Weltraum verbrachte Zeit – 374 Tage, 11 Stunden und 19 Minuten –, der selbstredend auch ein britischer Rekord ist. Ich würde gern behaupten, dass seine Entschlusskraft, sein Feuereifer und sein Engagement meinem Leben eine entscheidende Wende gaben. Stattdessen hielt ich ihn für spinnert und schäme mich bei dem Gedanken, wie wenig ernst ich ihn genommen hatte.
Mike Foale lud mich nämlich 1999 zum Start seiner Reparaturmission zum Hubble-Weltraumteleskop ein, und ich konnte nicht dabei sein. Er lud mich dann wieder zu seinem allerletzten Flug im Jahr 2003 ein, für den er zum Kommandanten der Internationalen Raumstation ernannt worden war. Abermals musste ich mich wegen anderweitiger Verpflichtungen entschuldigen. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Sicherlich hätte ich, was immer ich tat, aufschieben und an den Startplatzreisen können, um zuzuschauen, wie ein bemerkenswerter Mann eine der bemerkenswertesten Taten vollbrachte, die menschenmöglich sind. Ich bedauere es zutiefst, dass ich mir diese Möglichkeit habe entgehen lassen. Ich hoffe, dass die Cherubs des Queens’ unserer Tage einen Trinkspruch in ihre Rituale einbezogen haben, der den ruhmreichsten und kühnsten Engel der himmlischen Heerscharen würdigt, den je die Farben Grün, Blau und Rosa geschmückt haben.
Ich sorgte schon bald dafür, dass auch Kim von den Cherubs aufgenommen wurde, und vielleicht zum Dank dafür, aber eher noch weil er überhaupt eine so großzügige Ader besaß, bot mir Kim an, bei einem vornehmen Schneider an der Ecke Silver und Trumpington Street ein Dinnerjackett für mich anfertigen zu lassen. Ede and Ravenscroft war nicht nur eine Maßschneiderei für Herrenbekleidung, sondern in diesem Atelier wurden auch
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