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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Aufführungen. Es geschieht nicht oft, dass ein Schauspieler sich die Inszenierung ansehen kann, an der er beteiligt ist, und während viele nicht besonders gern zuschauen, wenn jemand anders ihre Rolle spielt, besonders nicht, wenn es ein Meister wie Bennett ist, war ich viel zu sehr Fan, um mir darüber Gedanken zu machen, ob er mich in den Schatten stellen könnte. Was er ja tun würde, wovon ich überzeugt war. Schließlich hatte er die Rolle des Tempest für sich höchstpersönlich geschrieben, und schließlich war er niemand anders als Alan Bennett, um Himmels willen!
    Ich schaute ihm beide Male zu und besuchte ihn anschließend in der Garderobe.
    »Oh, Alan, Sie waren erstaunlich. Erstaunlich.«
    »So, meinen Sie wirklich?«
    »Ich bin ja so froh, dass Sie heute aufgetreten sind, aber wissen Sie«, sagte ich, »Sie hätten es absolut nichtnötig gehabt, sich in einer Matineevorstellung wieder hineinzufinden. Sie waren von Anfang an perfekt.«
    »Oh, deswegen habe ich gar nicht gefragt, ob ich bereits heute auftreten durfte.«
    »Nein?«
    »Um ehrlich zu sein, nein.«
    »Nun, warum dann?«
    »Wissen Sie, dass ich diesen Film habe?«
    Und ob ich das wusste. Alan hatte das Drehbuch für den Film
Magere Zeiten
geschrieben, in dem Maggie Smith, Michael Palin und Denholm Elliott mitspielten. Ich hatte mir vorgenommen, am Wochenende ins Kino zu gehen.
    »Sehen Sie«, sagte er, »heute Abend ist die Royal-Command-Premiere, und ich brauchte einen überzeugenden Grund, warum ich nicht dabei sein konnte …«
    Das war die für Bennett so typische Scheu, die es für weniger strapaziös erachtet, vor Hunderten Fremden auf der Bühne zu stehen, als eine Party besuchen zu müssen.
     
    Die Erinnerung an Leicester ist verschwommen. Die Generalprobe von
Me and My Girl
war wohl okay, aber ohne Publikum ließ sich unmöglich sagen, ob die Slapsticks und die großen Comedy-Nummern wirklich ankommen würden. Robert und Emma harmonierten wundervoll miteinander. Roberts komische Szenen mit seinem Umhang und dem Bowler, mit den Zigaretten, Kissen und all den anderen Requisiten, mit denen er es zu tun bekam, wurden meisterhaft von ihm gespielt. Höchstens im Stummfilm hatte ich Körperkomik von dieser Güte gesehen.
    Mit Champagner machte ich die Runde durch die Garderoben, um aufs Gelingen anzustoßen, dazu mitKarten, Rosensträußen und Bekundungen von Zuversicht, Hoffnung und Dankbarkeit.
    »Also, jetzt warten wir nur noch auf den entscheidenden Regisseur …«, sagte Frank Thornton und fügte mit höchst bekümmerter Miene die Antwort auf meine unausgesprochene Frage hinzu, »… das Publikum!«
    »Aha!« Ich bejahte diesen klugen Schauspielergedanken mit einem Kopfnicken.
    Schlussendlich reckte der entscheidende Regisseur seine vielen Daumen in die Höhe und ließ dazu ein lautes »Lambeth Walk« – »Oi!« hören. Am Schluss standen sie da und applaudierten fast eine halbe Stunde lang, wie es uns vorkam. Es war ein triumphaler Erfolg, und alle umarmten einander und schluchzten vor Freude, so wie man es in den Backstage-Szenen der besten Hollywood-Musicals sieht. Mike Ockrents magische und in komischen Details ausgefeilte Regiearbeit, Gillian Gregorys Choreographie, Mike Walkers Arrangements und ein Chor und ein Ensemble, die jede Sekunde der zweistündigen Dauer mit Körper und Seele leidenschaftlich bei der Sache waren, sorgten für einen so geglückten Theaterabend, wie ich ihn kaum sonst im Gedächtnis habe.
    Ich möchte nicht missverstanden werden. Musicals sind immer noch nicht so ganz meine Sache, und ich bin sicher, dass unter Ihnen viele sein dürften, die beim Gedanken an Pearly Kings und Queens und begeistert in die Luft geschmissene Beine zu »Rum-tata-rum-tata«-Orchestermusik aus den Dreißigern zusammenzucken. Nichtsdestoweniger gefiel es mir, teilzuhaben an etwas, das so weit entfernt von meinem normalen Geschmack angesiedelt war und vor ungekünstelter Leichtigkeit, warmherziger Albernheit und unverfrorener Ausgelassenheit übersprudelte. Wir steuertengegen den Trend zu selbstgefälligen, hochgestochenen opernhaften Melodramen, in denen ausschließlich gesungen wird. Wir steuerten nicht nur dagegen, sondern wir steppten einfach drüber hinweg. Mir gefiel es sehr, dass wir einen Abend präsentierten, an dem wir dem Ursprung des Wortes »musical« Ehrerbietung erwiesen, und zwar dem Adjektiv und nicht dem Substantiv. Von seinem Ursprung an war das Genre Musical Comedy, und wir hatten alle gehofft, dass an dieser

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