Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
ihn (buchstäblich) schanghait. Nach einer Ewigkeit legte eine weitere Dschunke an der Mole an.
    »Chou Lai?«, rief der Skipper, und abermals sprang mein Freund an Bord.
    Während der nächsten Stunde pflügte das Schiff weiter durchs Südchinesische Meer, und er fürchtete langsam um sein Leben. Schließlich wurde er wieder auf einer Insel abgesetzt, aber diesmal befand sich dort tatsächlich ein Restaurant, erleuchtet von Lichterkettenund pulsierend von Musik. Chou Lai persönlich trat in Erscheinung, ein jovialer Bursche mit Augenklappe, die vortrefflich die Joseph-Conrad-Atmosphäre des Abenteuers meines Freundes abrundete.
    »Hallo, willkommen. Sagen Sie, Sie Amerikaner?«
    »Nein, ich bin Engländer, um genau zu sein.«
    »Englisch! Ah! Kennen Sie P B-J?«
    Man fragt sich, wie vielen verdutzten englischen Gästen, die nicht die geringste Ahnung hatten, wer oder was »P-J-B« sein mochte, diese Frage wohl gestellt worden sein mag. Mein Freund wusste es, bezweifelte aber, dass Chou Lai denselben Mann meinte. Es stellte sich jedoch heraus, dass er es tat.
    »Ja! Pe’er Be’ett-Joes!«
    Mein Freund wurde zu Essen und zur Rückfahrt nach Kowloon auf Chou Lais privater Barkasse eingeladen.
    Da haben Sie Peter Bennett-Jones: Mit seiner hochgewachsenen, hageren Gestalt, seiner Auswahl zerknitterter Leinenanzüge und seiner vollendet altmodischen »Dear old boy«-Attitüde sieht er aus und klingt wie ein pensionierter Kolonialbeamter aus den Büchern von Somerset Maugham, und doch ist er jünger als Mick Jagger, scharfsinnig, clever und in Londons Medienwelt mächtig wie kaum ein anderer.
    Ich hatte das Glück oder das Unglück, jenen Abend im Zanzibar zu verpassen, als Keith Allen, einer der Pioniere der alternativen Comedy und ein Mann, den ich noch gut kennenlernen sollte, auf die Bar kletterte und mit Flaschen um sich warf, wodurch er einen Gutteil der Lagerbestände vernichtete und den größten Teil der Spiegel und Einbauten zerstörte. Keith wurde festgenommen, und als er nach einer kurzen Haftstrafe zurückkehrte, musste er feststellen, dass man ihm permanentesHausverbot erteilt hatte. Er war »Zanzibarred«, wie ich es gern nannte. Der Besitzer, Tony Macintosh, gab sich aber so wohlmeinend, dass er ihn nicht auch noch aus seinem neuen Lokal, dem Groucho, aussperrte, das er und Mary-Lou Sturridge in Kürze in Soho eröffnen wollten.
    Die Jahre, in denen ich mich kopfüber in die Welt der Soho-Boheme stürzte, lagen noch vor mir, aber ich betrachtete Menschen wie Keith Allen mit Bewunderung und leicht ängstlich. Sie schienen das London, in dem ich mir immer noch vorkam wie ein schüchterner Besucher, ein London, das vor enormer Energie zu vibrieren schien, ihr eigen zu nennen. Ich scheute mich, schicke Nachtclubs wie das Titanic und das Limelight zu betreten. Letztlich schien es in ihnen eh um nichts anderes zu gehen, als zu tanzen und zu trinken, und an beidem hatte ich recht wenig Interesse. Auch das Zanzibar war ein Ort, den ich nicht im Traum allein aufgesucht hätte, sondern höchstens in einer Gruppe, aber ein Dämon in mir flüsterte, es sei ein Fehler, mich damit zufriedenzugeben, nichts als eine Maschine zu sein, die Wörter ausspuckte. »Du schuldest es dir, ein bisschen zu leben, Harry …«, wie Clint es sich in
Dirty Harry
zuraunt.
    Wer war ich zu dieser Zeit? Ich fand immer noch, dass die Menschen sich an meinem Erscheinungsbild störten, an meiner Ungezwungenheit, der scheinbaren – ach, ich weiß nicht – Mühelosigkeit, Unverwundbarkeit, Bedürfnislosigkeit? Irgendwas an mir störte … nein störte nicht, störte vielleicht manchmal, aber faszinierte eher oder verblüffte … etwas an mir faszinierte oder verblüffte, löste gemischte Gefühle von Verärgerung und Neugier aus.
    Wie konnte jemand so eingemummelt sein gegen diegrausamen Stürme der Welt, so gewappnet gegen die Raketengeschosse des Schicksals, so vollkommen in sich ruhend? Wäre doch
toll
, ihn mal betrunken zu sehen. Hinter seine Fassade zu blicken und herauszufinden, was ihn antreibt.
    Ich bin überzeugt, dass es Menschen gibt, die mich besser leiden könnten und mir mehr vertrauen würden, wenn sie einmal hätten erleben dürfen, wie ich Tränen in meinen Whisky tropfen lasse, mich zum Narren mache, aggressiv werde, rührselig oder unkontrolliert betrunken. Ich habe solche Gemütszustände bei anderen immer als ermüdend empfunden, unangenehm, peinlich und grauenhaft langweilig, aber ich bin ziemlich sicher, dass so manche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher