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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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und Terry Allen Kramer, die anscheinend die Hälfte aller Immobilien in Manhattan besaß. Beide waren seriöse und mit allen Wassern gewaschene Geschäftsleute. Sie hatten sich in den Kopf gesetzt, dass Briten nichts von Choreographie verstünden, und wenn ein amerikanischer Produzent sich in eine Idee verbissen hat, kann nichts und niemand daran rütteln, kein Mister Muskel, kein TNT und keine Elektroschockbehandlung.
    Jimmy Nederlander war überzeugt, das Geheimnis eines guten Musicals zu kennen.
    »Herz muss es haben«, sagte er mir beim Lunch im Côte Basque in der 55th Street zusammen mit Terry, Mike und Robert. »Ich habe Ihre Show in London gesehen und zu meiner Frau gesagt: ›Honey, diese Show hat verdammt noch mal Herz. Verdammt viel Herz, und wir sollten sie machen.‹ Sie hat mir zugestimmt.«
    »Sie muss aber auch anständig choreographiert werden«, knurrte Terry.
    Terry Allen Kramer betonte gern, dass sie zwar nicht die reichste Frau in Amerika sei, aber ganz bestimmt mehr Steuern bezahle als jede andere Frau in Amerika. Ihr hatte einmal die Aktienmehrheit an Columbia Pictures gehört, und sie besaß massenhaft Öl-Geld und Immobilien, einschließlich des Straßenblocks, in dem das Côte Basque stand, dem Truman Capote inzwischen zu Ruhm verholfen hat.
    Als ich dort wie verabredet zum Mittagessen eingetroffen war, hatte mich die Hochnäsigkeit der Kellner beinahe vor Schreck erstarren lassen. New York ist eine weitaus feudalere und klassenfixiertere Stadt als London. Weißbehandschuhte, livrierte und herablassende Fahrstuhlführer, Portiers, Chauffeure und
maîtres d’
können Menschen ohne soziales Selbstwertgefühl das Leben zur Hölle machen. An fremdes Gestade geworfen, verlor ich die gelassene Ungezwungenheit, die ich mir im Laufe der Jahre angeeignet hatte, um einem Oberkellner im Ritz oder Le Caprice direkt ins Auge sehen zu können. »Abroad is bloody«, wie George VI. zu sagen pflegte. Egal, wie hoch du daheim auf der Leiter emporgeklettert bist, in der Fremde wirst du gezwungen, die Sprossen hinunterzurutschen und von vorne zu beginnen.
    »Yessssss«, zischte der Kellner, der an meine Seite schwebte, als ich mich mit übertriebener Beiläufigkeit im Speisesaal umsah. Natürlich verriet gerade die Bemühung, auf lässige Weise ein besitzerstolzes Auftreten vorzugaukeln, wie unbehaglich und minderwertig ich mich fühlte.
    »Oh, hm, ja. Ich bin hier mit einigen Leuten zum Lunch verabredet und wohl leider ein wenig früh … sollte ich … äh … sorry.«
    »Name?«
    »Stephen Fry. Sorry.«
    »Lassen Sie mich nachsehen … unter dem Namen finde ich keine Reservierung.«
    »Oh. Sorry! Nein, das ist
mein
Name, sorry.«
    »Ah! Und unter welchem Namen wurde die Reservierung getätigt?«
    »Ich denke, wahrscheinlich wohl unter dem Namen Kramer. Sorry. Ist bei Ihnen ein Tisch unter dem Namen Terry Allen Kramer reserviert?«
    Es war, als sei plötzlich der Strom eingeschaltet worden. Ein Lächeln erhellte die Miene des Kellners, seine Körpersprache wechselte von schlaff-nachlässiger Verachtung zu sabbernder Selbsterniedrigung, nervös bibbernder Beflissenheit und hysterischer Ehrerbietung.
    »Sir, ich bin sicher, Mrs Kramer dürfte es zu schätzen wissen, wenn Sie bereits Platz nehmen würden und ich Ihnen ein Glas Champagner oder einen Cocktail serviere. Möchten Sie vielleicht etwas Lektüre, solange Sie warten? Mrs Kramer kommt normalerweise zehn Minuten zu spät, also vielleicht ein paar Oliven? Einen Aschenbecher? Sonst noch
irgendeinen
Wunsch? Gar nichts? Danke Ihnen sehr, Sir.«
    Guter Gott. Und tatsächlich war sie zehn Minuten zu spät, kam hereingerauscht und sammelte gleich Jimmy Nederlander, Mike Ockrent und Robert Lindsay mit ein, die sich inzwischen zu mir auf das unbequeme Sofa im Empfangsraum gesellt hatten.
    Ein Telefon war für sie an den Tisch gebracht und an der Wand eingestöpselt worden, als wir uns setzten. Während des Essens gab sie immer mal wieder lautstark telefonische Anordnungen an ihre Büroangestellten durch.
    Als die Zeit für Pudding kam, sah sie sich am Tisch um. »Wer möchte Dessert? Wollt ihr Dessert, Jungs?«
    Ich nickte begeistert, und sie klatschte laut in die Hände. »André, lassen Sie doch den Dessertwagen kommen.«
    Le chariot à pâtisseries
, der an unseren Tisch geschoben wurde, war beladen mit exquisiten
délices
. Terry Allen Kramer zeigte auf einen außergewöhnlich verschwenderischen Turm aus Sahne, glasiertem Gebäck und kandierten Früchten.

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