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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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»Sie ist köstlich und lässt einen unbefriedigt.« Wie bei vielen von Wildes Aussprüchen brauchte ich lange, bis ich begriffen hatte, dass dies tatsächlich eine tiefsinnigere Einsicht war, als es auf den ersten Blick schien. Der springende Punkt ist, dass ein Genuss, der befriedigt, in dem Augenblick aufhört, ein Genuss zu sein, in dem er genossen worden ist. Man ist gesättigt, es ist nichts mehr daraus zu schöpfen. Sex und Speisen sind Genüsse dieser Art. Was folgt? Ein Anflug wohligen Nachgefühls, wenn man zu den Menschen zählt, denen dies gewährt ist, aber meistens doch Schuldgefühle, Flatulenz und Selbstekel. Von diesem Genuss möchte man für eine ganze Weile nichts mehr wissen. Von Substanzen, die das Verhalten verändern, wie Alkohol und Drogen, möchte man mehr und mehr konsumieren, aber sie beeinflussen Laune und Art des Auftretens, und Absturz und Katerstimmung, die folgen, können höchst unangenehm sein und jede gute Laune vergällen. Aber eine Zigarette – eine Zigarette bietet reine Freude, sie ist Liebkosung und Erfüllung und dann nur noch das Verlangen, das Erlebnis von neuem zu genießen. Und so weiter. Auch nicht einen Moment lang das widerwärtige Völlegefühl, das Empfinden, aufgebläht zu sein, keine beschämende Übelkeit, kein Kater und keine Depression. Eine Zigarette ist perfekt, denn wie ein hochentwickeltes Virus nistet sich ihre Wirkung im Gehirn des Rauchers ein und verfolgt nur ein einziges Ziel: ihn zu veranlassen, zur nächsten Zigarette zu greifen. Die Belohnung ist der Genuss, dieser ist aber zu kurzlebig, um Befriedigung genannt zu werden.
    Ich hatte Holmes und Wilde auf meiner Seite. Ich hatte Wodehouse und Churchill, Bogart und Bette Davis,Noël Coward und Tom Stoppard, Simon Gray und Harold Pinter. Und wer war gegen uns aufmarschiert? Spießbürgerliche Nasenrümpfer, sauertöpfische Gesundheitsapostel. Hitler, Goebbels und Bernard Shaw, miesepetrige Sonderlinge, Puritaner und Besserwisser, die ihre Nase überall hineinstecken. Das Rauchen war ein Banner der Boheme, ein Symbol für die Ablehnung der Mittelklassenprüderie und Schicklichkeit, und dafür machte ich mich stark, wenngleich ich niemanden kannte, der zuinnerst so mittelklassig, bieder und respektierlich war wie ich. Man muss schließlich, wenn es um diese Dinge geht, mit niemandem ins Reine kommen als mit sich selbst. Wollte ich mich mit Außenseitern, Künstlern, Radikalen und Revolutionären verbünden, war es selbstverständlich, dass ich rauchte. Und zwar mit Stolz. Ich weiß. Erbärmlich, nicht wahr?
    Ich habe hier kein Wort über den Tod verloren, nicht den verheerende Schaden an Teint, Hals, Herz und Lungen erwähnt, den Zigaretten anrichten. Oscar wusste nicht, dass die exquisiteste von allen Eigenschaften dieser verführerischen Räucherstäbchen ihre allmählich wirkende Toxizität ist, die Art, wie sie ihr Gift in dezentester Dosierung einschleusen. Die ihnen eigene wohltuende Wirkung (die einsetzt nach der ersten Benommenheit, dem schweißigen Schwindel und der Übelkeit, von denen Anfänger heimgesucht werden, wie ich bereits angedeutet habe), die nervenzerreißende Langsamkeit und das Feingefühl, die sie bei ihrem todbringenden Unterfangen einsetzen, die unwiderstehlich verlockende Kreditlaufzeit, die sie anbieten und die eine scheinbar unüberbrückbare Distanz zwischen gegenwärtigem Genuss und zukünftiger Begleichung verspricht … eine so uneilig angewandte, beharrlicheund diabolische Raffinesse beschert das, was ein wahrer Sadist und Connaisseur der Pein als höchsten Grad exquisiten Erlebens ansehen würde.
    Ich war ein besonders lautstarker Apologet des Rauchens gewesen und dazu ein lärmend streitlustiger Feind der Antiraucherlobby, aber als ich an jenem Tag dasaß und mit der Mikrofonpfeife von Dunhill spielte, wurde mir bewusst, dass ich mich verändert hatte. Insofern Erfahrungen nur selten bereut werden sollten, war mir bei dem Gedanken, mein zukünftiges Leben als Nichtraucher zu verbringen, durchaus wohl. Ich hatte mehr als dreißig Jahre lang meine Freude am Tabakgenuss gehabt und würde jetzt erleben, wie sich das Leben ohne ihn leben ließ. Ich war beinahe gespannt darauf, mich dieser Probe zu unterwerfen. Solange ich mir gelobte, absolut niemals jenen Rauchergenossen, die ich zurückgelassen hatte, mit Intoleranz zu begegnen.
    Bekämpfe Feuer mit Feuer, bekämpfe Drogen mit Drogen. Ich hatte von einer Pille gehört, die Zyban hieß. Das war der Markenname für

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