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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Knie.
    Dunhill und die Organisatoren der Veranstaltung gaben sich größte Mühe, mir diese Spezialpfeife anfertigen zu lassen, einen ganz besonderen Verschnitt zu präparieren und mich als einen der Ihren mit offenen Armen aufzunehmen. Und jetzt, knapp drei Jahre später, hatte ich vor, aus der Gemeinde auszutreten. Das roch nach Verrat. Aber ohnehin rauchte ich in der Öffentlichkeit so gut wie nie eine Pfeife. In erster Linie war ich ein Marlboro-Mann. Nicht voll drauf auf den roten und auch nicht anämischen Lights, sondern Mamabär Marlboro Mediums – für den Kompromissler des Lebens. Mittleres Alter, mittleres Köpfchen, mittlere Klasse, mittlerer Teergehalt – das bin ich. Ich hob mir die alten Briar-Pfeifen für die Wintermonate auf und die einsamen Stunden am Schreibtisch. Obwohl es kürzlich doch eine Situation gegeben hatte, bei der ich mit einer Pfeife in die Welt hinausgetreten war …
    Im Sommer 2003 wollte die Zeitung
Independent
ein Porträt von mir veröffentlichen. Weswegen es sein sollte, ist mir entgangen; vielleicht bestand ein Zusammenhang mit der Ausstrahlung der ersten Folge des TV-Programms
QI
. Ohne guten Grund tauchte ich am verabredeten Ort mit einer Pfeife in der Tasche auf. Irgendwann mussten mir wohl die Zigaretten ausgegangen sein, und ich hatte mich wieder darauf besonnen. Eine Woche später erschien als Illustration für das Interview ein Bild von mir auf der Titelseite der Zeitung: Die Pfeife ragte mir schräg aus dem Gesicht, und eine dicke und kunstvoll platzierte Rauchwolke verbirgt halbwegs meine selbstgefälligen Züge. Traurigerweise wissen sich meine Gesichtszüge leider nicht anders zu arrangieren als selbstgefällig. Warum hatte ich die Pfeife mitgenommen, und warum hatte ich sie im Beisein eines Fotografen geraucht? Rückblickend frage ich mich, ob ich nicht irgendwo im Unterbewusstsein erkannt hatte, dass eine Pfeife besser zu der ziemlich professoralen Seite meines Charakter passte, die in
QI
betont wurde, und vielleicht hatte ich ja deswegen die Pfeife eingesteckt, als ich mich auf den Weg machte, den Journalisten zu treffen. Interessant oder zumindest erhellend an der Art, wie im 21. Jahrhundert Prominenz wahrgenommen wird, ist, dass nur wenige Tage nach der Publikation jenes Interviews ein Brief vom British Pipesmoker’s Council eintraf, der mich informierte, dass ich zum Pfeifenraucher des Jahres gewählt worden sei. Diese freundliche Absurdität folgte dem Artikel derart schnell auf dem Fuß, dass ich mich des Gefühls nicht erwehren konnte, wäre ich ein Bonobo gewesen, den
Independent
in der Woche auf der Titelseite als Pfeifenraucher präsentiert hätte, wäre ihm die Anerkennungsicher gewesen … ich nehme an, desperat ist das angemessene Wort, um die Stimmung in der Worshipful Company der Pfeifenraucher und Tabakmischer zu beschreiben. Und angesichts des bevorstehenden Endes der Preisvergabe waren sie vielleicht aus gutem Grund desperater Stimmung.
    Jetzt sitze ich hier, drei Jahre später, spiele an meiner Preispfeife herum und trage mich mit dem Gedanken, am Lebenszweck des Rauchens Verrat zu begehen. Die Wörter »Verrat« und »Lebenszweck« zu benutzen mag vielleicht hysterisch und überheblich klingen, aber für
mich
war das Rauchen ein Lebenszweck; in meiner Vorstellung hat das Rauchen stets etwas ungeheuer Beeindruckendes symbolisiert. Sherlock Holmes habe ich erwähnt, aber Tatsache ist, dass fast alle meine Heroen nicht einfach nur Menschen waren, die rauchten, sondern mehr als das: aktive, stolze und positive Raucher. Sie rauchten nicht einfach nur in der Welt, sie rauchten
in die
Welt. Oscar Wilde war einer der Pioniere der Zigarette. Als er Victor Hugo begegnete, galt die Passion des
cher maître
nicht minder Wildes üppigem Vorrat an frischen Qualitätszigaretten als seinem gleichermaßen üppigen Vorrat an frischen Epigrammen hoher Qualität. Die erste Episode, die Wilde einen schlechten Ruf bescherte, war sein Auftritt nach der ersten Vorstellung von
Lady Windermere’s Fan,
als er sich auf der Bühne verbeugte und den Beifall mit einer Zigarette zwischen den Fingern entgegennahm – eine unbekümmerte Nebensächlichkeit, die viele Theaterbesucher erzürnte und für wert gehalten wurde, in so gut wie jedem Pressebericht sowie den Briefen und Tagebüchern derer erwähnt zu werden, die dabei gewesen waren.
    »Eine Zigarette ist das vollkommene Musterbeispieleines vollkommenen Genusses«, sagt Lord Henry Wotton in
Das Bildnis Dorian Gray
.

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