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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Theater, das sich speziell neuen Autoren widmen sollte. Ich kannte Caroline Oulton und verehrte sie heiß und innig. Sie hatte in
Macbeth
mitgespielt, und ich versuchte immer, im Tourneebus den Platz neben ihr zu ergattern. Sie löste nämlich ganz verblüffende Reaktionen bei mir aus.
    Sie und Mark hatten ein überraschendes Anliegen. Sie wollten, dass ich zur Einweihung des »Playroom« ein Stück schrieb: Es brauche nicht die volle Länge zu haben, vielleicht könne es die Hälfte einer Doppelvorführung werden? Sie hatten nämlich einen cleveren jungen Undergraduate namens Robert Farrar gebeten, die andere Hälfte des Abends zu bestreiten. Was ich davon hielte?
    Ich war geschmeichelt, aufgeregt, aber auch erschreckt, erpicht, es zu versuchen, aber voller Furcht, zu versagen. Warum meinten die beiden, ich könne imstande sein, ein
Stück
zu schreiben? Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie etwas geschrieben, was dem auch nur nahegekommen wäre. Gedichte für den Privatgebrauch und gelegentlich ein Artikel für
Broadsheet
, mehr hatte meine Schriftstellerlaufbahn bis jetzt nicht aufzuweisen.
    »Fahr in den Ferien nach Hause, setz dich hin und denk nach. Schreib über etwas, worin du dich auskennst. Aber vergiss nicht, dass es in einem kleinen Raum aufgeführt wird. Perfekt wäre, wenn du etwas schreiben könntest, bei dem sich das Publikum mit einbezogen fühlt.«
    Das Trimester endete, und ich kehrte nach Norfolk zurück. »Schreib über etwas, worin du dich auskennst«ist die Maxime, die ich von Schriftstellern, ob lebend oder tot, immer wieder gehört hatte. In meinem von William-Morris-Tapeten geschmückten Zimmer ganz oben im Haus saß ich am Schreibtisch und fragte mich, worin ich mich auskannte. Institutionen. Ich kannte Schulen, und ich kannte das Gefängnis. Das war so gut wie alles. »Beziehe das Publikum mit ein.« Hmm …
    Ich begann mit der Beschreibung einer Lateinstunde, in der ein Prep-School-Lehrer seinen Schülern eine Strafpredigt hält und ihnen ihre Übungshefte übertrieben verächtlich auf die Tische knallt: »Jungs, die mir auf die krumme Tour kommen, Elwyn-Jones, werden sich noch umsehen …« So in dieser Art. Das Publikum wird zur Schulklasse. Ein plötzlicher Beleuchtungswechsel ändert den Zeitrahmen und den dramatischen Modus, baut sozusagen urplötzlich und mit Getöse die »Vierte Wand« auf. Ein Klopfen an der Tür, ein älterer Lehrer tritt ein, eine Geschichte entfaltet sich. Ich schrieb und schrieb, zuerst mit der Hand auf einem Block. Dann tippte ich Szene für Szene auf meiner kostbaren Hermes-3000-Schreibmaschine, einem mit jadegrünen Tasten ausgestatteten schlachtschiffgrauen Schmuckstück von unvergleichlicher Stabilität und Schönheit.
    Ich ließ mir eine farcenhafte Handlung einfallen, in der es auch um Päderastie, Erpressung und Liebeshändel ging und in die ich zwischendurch immer wieder Szenen in Klassenräumen einbaute, die das Publikum auf eine Weise mit einbezogen, die hoffentlich den Anforderungen von Marks und Carolines Auftrag entgegenkam.
    Ich tippte die Titelseite:
     
    LATEIN!
ODER TABAK UND KNABEN
EIN NEUES STÜCK VON SUE DENIM
     
    Sue Denim war natürlich ein »Pseudonym«. So recht kann ich mich nicht erinnern, warum ich beschloss, das Stück unter einem Künstlernamen zu präsentieren – ich denke, ich muss wohl gehofft haben, das Publikum werde ihm im Glauben, es sei von einer Frau geschrieben, nachsehen, dass es in keinem so drastischen Milieu spielt.
    Caroline und Mark schienen angetan zu sein, und ein Freund aus dem Queens’, Simon Cherry, übernahm die Regie. Ein Undergraduate aus der juristischen Fakultät namens John Davies spielte den alten Lehrer Herbert Brookshaw, und ich spielte Dominic Clarke, den jungen Helden des Stücks, d. h. wenn wir ihn wirklich einen Helden nennen wollen.
    Die Aufführung war während ihrer kurzen Spielzeit von drei Tagen oder so im »Playroom« ausverkauft, und weil das Interesse anscheinend groß war, spielten wir
Latein!
noch eine Woche lang im Hörsaal von Trinity Hall.
    Ich war Stückeschreiber! Die einmalige Hochstimmung, von der man erfasst wird, wenn man ein literarisches Werk verfasst hat, ist unvergleichlich. Bewunderung und Anerkennung für einen Bühnenauftritt, stürmische Ovationen und ohrenbetäubender Applaus reichen nicht an den ganz speziellen Stolz heran, den man fühlt, wenn man aus keinem exotischeren Material als reinen Wörtern etwas geschaffen hat, das zuvor noch nie da war.
    Als Autor

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