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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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schien außerordentlich viel Zeit zu erfordern. Ich konnte gar nicht fassen, wie viel: Ich hatte den Eindruck, dass alle furchtbar inkompetent sein mussten und man die Aufgaben viel schneller und effizienter hätte realisieren können. Ich weiß heute, dass die Arbeiten jener Tage mit beispielhafter Disziplin und Geschwindigkeit abgewickelt worden waren. Auf einen Außenstehenden wirken Filmarbeiten immer sowohl unerträglich langweilig als auch grauenhaft desorganisiert. Wenn man nicht versteht, wie etwas funktioniert, ist es vielleicht ganz natürlich, nachzufragen und zu zweifeln. In späteren Jahren, wenn – wie es oft passierte – ein Passant bei einer Straßenszene, die ich drehte, protestierte wegen »all dieser Leute, von denen die meisten doch nur untätig herumhängen« und dann noch die Annahme »Ich schätze, die werden von den Gewerkschaften kontrolliert« formulierte, rief ich mir, um meine Entrüstung über eine derartige Ungehörigkeit zu unterdrücken, meine eigene Skepsis ins Gedächtnis, die ich als Komparse bei
Die Stunde des Siegers
empfunden hatte. Diese Skepsis wurde von vielen unter uns geteilt, und die Mehrheit war schließlich so gelangweilt und fühlte sich so schlecht behandelt, dass sie einen Ministreik ausrief. Sie setzten sich auf den Schulhof und skandierten im Chor den Ruf nach mehr Lohn. Esverschlägt mir die Sprache, wie geldgierig und rüde wir hatten sein können, und mit Freuden sage ich, dass Kim und ich nicht der Fraktion der Aufsässigen angehörten. Puttnam trat vor uns und erklärte sich großzügig und ohne das geringste Anzeichen von Verärgerung oder Enttäuschung bereit, jedem zwei Pfund zusätzlich zu zahlen. Wir jubelten ihm lauter zu, als man von uns beim Wettlauf zu jubeln verlangt hatte.
    Sollten Sie sich eines Tages
Die Stunde des Siegers
ansehen und den Wunsch haben, mich aus Gründen, die ich nicht hinterfragen möchte, im Bild zu entdecken, dann müssen Sie bei der Szene aufmerken, in der nach dem Immatrikulationsdinner ein Gilbert-und-Sullivan-Unterhaltungsprogramm läuft. Ich lauere im Hintergrund und grinse spöttisch. Eben das ist einer der grausamsten Flüche, mit dem mich die Natur belegt hat. Egal wie beseelt, betörend und unbefangen ich zu erscheinen versuche, meine Gesichtszüge ordnen sich stets zu einer Miene äußerster Selbstzufriedenheit, Selbstherrlichkeit und Selbstverliebtheit. So unfair!
    In Cambridge nahm das Leben seinen launigen Lauf. Simon Cherry, der bei
Latein!
die Regie geführt hatte, wurde vom BATS auserwählt, die May-Week-Produktion 1980 als Regisseur zu betreuen. Er gab mir die Rolle des warzigen alten Königs in
Ende gut, alles gut
. Emma Thompson verkörperte Helena, Kim war in diversen Rollen zu sehen, und Barry Taylor spielte Parolles.
    Barry, dessen Macbeth mich so beeindruckt hatte, war ein außergewöhnlicher Mensch und dazu jemand, der, ohne es zu wollen, in mir große Schuldgefühle und Scham weckte. Er zählte zu den intelligentesten, scharfsinnigsten, klügsten, gelehrtesten, als Schriftsteller qualifiziertesten und akademisch begabtesten Menschen,die mir je begegnet sind, aber soweit es Cambridge betraf und das Leben draußen in der Welt, litt er unter einem schlimmen Charakterfehler, einem schrecklichen Makel. Er war ehrlich. Er besaß Integrität. Ehrlichkeit und Integrität sind an sich edle Tugenden, aber sie erweisen sich als verhängnisvoll, wenn es darum geht, Prüfungen abzulegen. Barry war im Jahrgang über mir, und dies war sein letztes Semester in Cambridge. Die Abschlussprüfungen winkten. Wenn jemand es verdient hatte, mit einem First abzuschließen, zu bleiben, sich Forschungsarbeiten zu widmen und ein geschätzter Lehrer und Akademiker zu werden, wäre es Barry gewesen. Aber sein verhängnisvoller Fehler bestand darin, dass er, sobald er im Prüfungssaal saß und den Fragebogen umgedreht hatte,
die Frage zu beantworten versuchte
. Er saß da und dachte darüber nach. Er erwog diverse Annäherungsweisen. Er fing an, strich durch, was er geschrieben hatte, dachte wieder nach und brachte nur die am meisten durchdachten Urteile, Einschätzungen und Schlussfolgerungen zu Papier. Wenn dann die Pfeife das Ende der drei Stunden ankündigte, während deren drei Fragen behandelt und drei Essays fertiggestellt werden mussten, gab Barry einen perfekten Essay und einen halben guten ab. Die dritte Frage blieb unbeantwortet. Er hatte dasselbe schon im Jahr zuvor gemacht, und er wusste, dass er es wahrscheinlich auch

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