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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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eindrucksvoll!«
    »Na ja, das sind nur Spielereien. Jetzt zeige ich dir mal was
    wirklich Neues.« Er winkte mich zu einer Schultafel, die mit
    einer Fülle von algebraischen Gleichungen bedeckt war.
    »Das ist eigentlich Pollys Steckenpferd. Eine mathematische
    Theorie, neben der Euklids Arbeiten wie eine Rechenaufgabe
    für Drittklässler aussehen. Wir nennen sie Nextische Geometrie. Mit den Einzelheiten will ich dich nicht langweilen, aber
    schau dir das mal an.«
    Er krempelte die Ärmel auf, warf einen großen Klumpen
    Teig auf den Tisch und rollte ihn zu einem flachen Oval aus.
    »Plätzchenteig«, sagte er. »Wenn ich jetzt runde Plätzchen
    aussteche, bleibt immer was übrig, nicht wahr?«
    »Stimmt.«
    »Nicht in der Nextischen Geometrie! Siehst du dieses Förmchen? Vollkommen rund, oder?«
    »Vollkommen rund, ja.«
    »Tja«, sagte Mycroft. »Das sieht nur so aus. In Wirklichkeit
    ist es ein Quadrat. Ein Nextisches Quadrat, genauer gesagt. Und
    jetzt pass mal auf!«
    Er stach zwölf runde Plätzchen aus, ohne dass auch nur ein
    Fitzelchen Teig übrig blieb.
    Ungläubig starrte ich die kleinen Teigscheiben an. »Wie hast
    du –«
    »Ganz schön clever, was?« Er lachte. »In Wirklichkeit ist es
    ganz einfach. Eine Büchse mit gebackenen Bohnen ist doch
    rund, oder?«
    Ich nickte.
    »Aber von der Seite betrachtet sieht sie aus wie ein Rechteck.
    So ähnlich verfährt auch die Nextische Geometrie, stark vereinfacht gesagt. Sie bringt die Oberfläche eines Körpers von der
    Waagrechten in die Senkrechte, ohne aber die Lage des Körpers
    im Raum zu verändern. Zugegeben, es funktioniert bisher bloß
    mit Nextischem Teig, der nicht sehr gut aufgeht und ein bisschen wie Kukident schmeckt, aber daran arbeiten wir noch.«
    »Es kommt einem irgendwie unmöglich vor.«
    »Auch das Prinzip des Regenbogens oder der Blitze haben
    wir dreieinhalb Millionen Jahre lang nicht verstanden. Man darf
    so etwas nicht ablehnen, weil es unmöglich scheint. Wenn wir
    unseren Verstand vor so etwas verschließen, hätte es die Gravitube, die Antimaterie, das ProsaPortal, die Thermosflasche und
    solche Dinge niemals gegeben.«
    »Warte mal!« sagte ich. »Was hat denn die Thermosflasche
    mit diesen Dingen zu tun?«
    »Liebes Mädchen, die Thermosflasche ist ein HightechProdukt, und niemand weiß, wie sie funktioniert.« Er starrte
    mich einen Augenblick an und sagte: »Wir sind uns doch darin
    einig, dass eine Vakuum-Flasche heiße Flüssigkeiten im Winter
    heiß und kalte Flüssigkeiten im Sommer kalt hält, nicht wahr?«
    »Ja, durchaus.«
    »Gut. Aber woher weiß die Thermosflasche, was sie gerade
    tun muss? Ich habe jahrelang Thermosflaschen studiert, aber
    auch nicht eine davon hat mir irgendwelche Hinweise darauf
    gegeben, woran sie die Jahreszeiten erkennt! Es ist ein absolutes
    Rätsel.«
    »Okay, okay, ich habe verstanden. Aber wie steht es mit
    praktischen Nutzanwendungen für die Nextische Geometrie?«
    »Da gibt es Hunderte. Allein schon bei der Verpackung und
    Lagerung wird es quasi über Nacht eine revolutionäre Veränderung geben. Ich kann Pingpong-Bälle in Schachteln packen,
    ohne dass Lücken bleiben, Kronenkorken ohne Abfälle ausstanzen, viereckige Löcher bohren, einen Tunnel zum Mond graben
    und Torten optimal schneiden. Vor allem aber – und das ist das
    Beste daran – wir können Materie schrumpfen.«
    »Ist das nicht gefährlich?«
    »Nicht im Geringsten«, sagte Mycroft vergnügt. »Es ist dir
    doch klar, dass der größte Teil der Materie leerer Raum ist?
    Zwischen dem Nukleus und den Elektronen ist eigentlich gar
    nichts. Nun, wenn ich die Nextische Geometrie auf der subatomaren Ebene anwende, kann ich die Materie so zusammenschrumpfen lassen, dass sie nur noch einen Bruchteil des Raumes einnimmt, den sie zuvor beanspruchte. Ich werde praktisch
    alles auf mikroskopische Größe zurechtschrumpfen können.«
    »Willst du das etwa vermarkten?«
    Es war eine berechtigte Frage. Die meisten von Mycrofts Ideen waren viel zu gefährlich. Man durfte sie eigentlich selber
    kaum denken. Sie auf eine Welt loszulassen, die auf hyperradikale Gedanken so gänzlich unvorbereitet war wie die unsere, war geradezu selbstmörderisch.
    »Auf die Technologie der Miniaturisierung können wir gar
    nicht verzichten«, sagte Mycroft. »Denk mal an winzige NanoMaschinen, die kaum größer sind als eine Zelle. Nahrungseiweiß aus ein paar Abfällen! Banaffee-Pasteten von Müllkippen,
    Schiffe aus ein bisschen Alteisen. Es ist eine

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