02 - komplett
Jungen – deinen Erben –, der mir ähnlich sieht.“
Clayton lächelte spöttisch, bevor er Loretta küsste. „Und was hält dein Verlobter von Bigamie und unehelichen Kindern?“
Amüsiert warf sie den Kopf in den Nacken und lachte, sodass sie ihrem Geliebten den schlanken Hals zum Liebkosen darbot. „Natürlich wäre er höchst entsetzt – aber das spielt keine Rolle. Du weißt genau, dass ich Pomfrey jederzeit für dich fallen ließe.“
„Ja, das ist mir klar.“ Einen Augenblick lang begegnete der Blick aus seinen schiefergrauen Augen dem ihren, dann drückte Clayton seiner Mätresse einen seltsam gleichgültigen Kuss auf die Lippen.
Noch vor nicht allzu langer Zeit hatten sich auf dem Bett leidenschaftliche Szenen abgespielt. Doch plötzlich ließen Loretta Vanes Verführungskünste Clayton kalt. Das lag nicht allein an der Beharrlichkeit, mit der sie nach einem Heiratsantrag angelte.
Nein, ihn störte auch die kühle Berechnung, mit der sie ihren Verlobten für einen dickeren Fisch über Bord zu werfen bereit war. Clayton hatte nicht die Absicht, sich deswegen in eine Auseinandersetzung mit dem Honourable Ralph Pomfrey verwickeln zu lassen.
Erst kürzlich war dem ton zu Ohren gekommen, dass Pomfrey möglicherweise nicht ganz so reich war, wie alle Welt glaubte: Jedenfalls hatte er Claude Potts gebeten, ihm aus einer finanziellen Klemme zu helfen. Leider war Potts eine stadtbekannte Plaudertasche. Deshalb wusste nun jedermann darüber Bescheid, wie sehr Pomfreys Vermögen unter seiner Pechsträhne auf der Rennbahn gelitten hatte. Es ging sogar das Gerücht, dass seine Verlobte mehr auf der Bank liegen hatte als er.
Diese Tatsache ließ nun auch seine Werbung um Loretta Vane in einem anderen Licht erscheinen – um eine Frau, die zwar die gesellschaftliche Stellung einer Dame beanspruchen konnte, aber die Seele einer Kurtisane besaß.
Loretta nannte ein hübsches Vermögen ihr Eigen, das ihr verstorbener Gatte Lord John Vane ihr hinterlassen hatte. Doch nachdem sie einen erheblichen Teil davon verschwendet hatte, musste sie nun befürchten, durch eine Heirat mit Ralph, dem jüngsten Sohn des Earl of Elkington, auch den Rest zu gefährden. Ganz sicher war es kein Zufall, dass ihre Gefühle für Pomfrey in dem Augenblick abkühlten, in dem das Ausmaß seiner Schwierigkeiten offenbar wurde.
Besorgt darüber, dass ihr Liebhaber so wenig leidenschaftlich auf ihre Verführungskünste reagierte, zupfte Loretta an Claytons Hemd. Gleichzeitig ließ sie die Zunge zwischen seine Lippen gleiten.
„Du bist mit Pomfrey verlobt“, erinnerte Clayton sie und hielt sie an den Handgelenken von sich fern. „Er ist der richtige Mann für dich.“ Damit ließ er Loretta los, nahm seinen Rock von der samtbezogenen Chaiselongue und schlüpfte hinein.
„ Du bist der richtige Mann für mich!“ Als Loretta einsah, dass von Clayton keine befriedigende Antwort zu erwarten war, sprang sie auf. Ihre Gesichtszüge wirkten nicht länger sinnlich weich, sondern hart und entschlossen. Sie hatte die Augenbrauen zusammengezogen und die vollen Lippen zu einem Strich zusammengepresst.
„Glaub mir – ich bin für keine Frau der richtige Mann“, gab Clayton zurück, während er achtlos sein Krawattentuch in die Rocktasche stopfte. „Möchtest du morgen Abend in die Oper gehen?“
„Heirate mich!“, verlangte Loretta herrisch. „Ich will dich und wollte dich schon immer. Wenn du es nicht tust, dann ... dann ...“ Sie zögerte, die Drohung auszusprechen.
„Dann?“, erkundigte Clayton sich. Lässig an den Türrahmen gelehnt, beobachtete er sie interessiert. „Komm schon, was hast du vor, um mich zu strafen?“
„Dann beende ich unsere Affäre“, erklärte sie eisig und hob das Kinn. „Ich werde so schnell wie möglich Pomfrey heiraten, und wenn wir den Bund erst geschlossen haben, teile ich das Bett nur noch mit meinem Gatten.“
Unwillkürlich musste Clayton lachen. „Oh, ich bin beeindruckt – du als treue Ehefrau!
Das wird in der Tat eine neue Erfahrung für dich, meine Liebe. Dein verstorbener Mann dürfte sich im Grabe herumdrehen, wenn er wüsste, dass dieser tugendhafte Entschluss für ihn zu spät kommt. Hoffentlich weiß Pomfrey dein Opfer zu schätzen.“
Ralph Pomfrey wusste natürlich so gut wie jeder andere im ton , dass seine künftige Gattin seit über einem halben Jahr Clayton Powells Geliebte war, aber dieses Wissen schien ihn nicht sonderlich zu stören. Selbstverständlich ging man
Weitere Kostenlose Bücher