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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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herumtrieben.
    Die Kolonne versuchte, die Mauer im Blick zu behalten, während sie im Licht ihrer Fackeln einem Kutschweg nach Osten folgten. Er erklomm irgendwann einen langgezogenen Kamm zwischen zwei Gehölzen, und von seinem Grat aus konnten sie gerade so über die Mauern von Besh-Darok blicken. Die Feuer am Hafen brannten immer noch. Nerek fiel auf, dass die drei Bogenschützen-Frauen in ihrer Kolonne miteinander redeten, sich aber unterbrachen, als sie merkten, wie Nerek sie beobachtete. Eine der Töchter, eine große Frau mit rabenschwarzem Haar und blassen Augen, starrte sie mit unverhülltem Missfallen an, spie aus und ritt schweigend mit den anderen weiter. Nerek zuckte mit den Schultern und wandte den Blick ab.
    Die Kolonne erreichte das südöstliche Ende der Mauer ohne Zwischenfall. Die massiven Befestigungen, die an diesem Punkt bis zu vierzig Schritt dick waren, reichten bis an das Ufer des Festlandes und bogen an der Klippe nach Norden ab. Ihr Fundament fußte sicher in dem uralten Felsen. Vom Norden peitschte ein starker Wind eisige Schneeflocken auf die Reiter, die nur kurz innehielten, bevor sie ihre Pferde wieder nach Süden wandten. Ihr Anführer war Yarrams Stellvertreter Chaugor, ein stämmiger, bärtiger Dalbari ohne jeden Sinn für Humor, der ihnen knapp mitteilte, sie würden den Schutz des Kronfalken-Gehölzes aufsuchen, falls das Wetter sich weiter verschlechtern würde.
    Sobald sie die Feld- und Ackerwege verließen und auf die gerade und gut befestigte Getreidestraße einbogen, kamen sie schneller voran. Selbst mit den Fackelträgern an der Spitze ritten sie in der Dunkelheit jedoch selten schneller als im gemäßigten Galopp. Ein- oder zweimal bemerkte Nerek in der Ferne Lichter, die aber schnell wieder von der hügeligen Landschaft verschluckt wurden. Gelegentlich schreckten ihre Pferde einen Vogel aus einem Busch oder einem Baum auf, aber ansonsten schien das ganze Land kalt und tot zu sein.
    Als sie den Rand des Kronfalken-Gehölzes erreichten, schneite es pausenlos. Zwischen den kahlen Bäumen und dem Schneetreiben sahen sie gelbliches Licht. Nerek hatte gehört, dass die Getreidestraße sich durch diesen Wald schlängelte, bevor sie in eine Schlucht mündete, hinter der die Ebenen und Hügel von Ost-Khatris lagen. Die Lichter wurden größer, während sie darauf zu ritten, und Nerek wurde bald klar, dass es sich um ein recht großes Feuer handeln musste. Chaugor merkte das ebenfalls, denn er verlangsamte das Tempo der Kolonne und schickte elf leichte Kavalleristen als Kundschafter voraus. Sechs von ihnen waren mit Bögen bewaffnet, vier mit Speeren und Schilden, und dazu Nerek, die zwar ihren kleinen Schutzschild über den linken Arm schob, ihr Schwert jedoch in der Scheide ließ. Sie ritten als Vorhut voran, und der Rest der Kolonne folgte in einigem Abstand mit gelöschten Fackeln.
    Nerek war über diese Taktik nicht sehr glücklich, weil sie die Kundschafter zu einem leichten Ziel machten. Dann jedoch erreichten sie das Feuer, das ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Zwei offene Kutschwagen standen brennend mitten auf der Straße, und um sie herum lagen reglose Körper. Weiter vorn war ein Kastenwagen umgestürzt. Sein Holz glühte noch, und der Tod war überall. Dann hörte sie plötzlich Waffengeklirr, in das sich Schreie mischten. Es kam von weiter vorn, wo die Straße in die Schlucht mündete. Ihr Offizier, ein Sergeant der Speerträger, befahl einem Bogenschützen, zu Chaugor zurückzureiten und ihm Meldung zu machen, während der Rest an den brennenden Wagen wartete. Noch während der Bote davon galoppierte, änderte der Sergeant seine Meinung.
    »Finden wir raus, was da vorn vor sich geht«, sagte er. Sie trabten die Straße entlang.
    Nach kaum zwanzig Schritten rächte sich der Leichtsinn des Sergeanten. Links von ihnen ertönte Hufgetrappel, und als Nerek sich umdrehte, sah sie zwanzig maskierte Reiter, einige mit Fackeln in den Händen, die aus einer Bresche zwischen den Bäumen direkt auf sie zu ritten. Zwei unmaskierte Männer führten sie an. In einem erkannte sie sofort Mazaret, der so blass und hager war, dass er nur ein Geistschatten sein konnte. Der Anblick des anderen Mannes traf sie wie ein Schlag in die Magengrube, und sie hätte beinahe ihre Zügel losgelassen. Es war Byrnak.
    Einen Moment lang trafen sich ihre brennenden Blicke, dann wurde ihr die tödliche Gefahr klar, in der sie alle schwebten, als der Sergeant sie panisch anbrüllte, ihm zu folgen.

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