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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Es handelte sich um drei, die vorsichtig, aber für Nereks geschärfte Sinne keineswegs lautlos durch die Dunkelheit krochen. Sie umhüllte sich mit dem Bann der Stille, bevor sie den Hufspuren der Tiere der Bogenschützinnen folgte. Ihre Verfolger trieben mittlerweile ihr Pferd, das nach Nordosten rannte, zurück zur Straße.
    Nerek fühlte sich wärmer, als loderte ein ruhiges Feuer in ihrem Inneren und pulsierte durch all ihre Glieder. Die Macht des Brunn-Quell erschien ihr allgegenwärtig, aber sie spürte auch ihre unablässige Gier. Unter ihrem Fuß zerbrach der gefrorene Schnee, machte dabei jedoch kein Geräusch, und auch die kahlen Zweige, die sie zur Seite schob, gaben keinen Laut von sich. Sie kam zu einer Lichtung auf einem kleinen Hang und sah die Spuren eines Kampfes, dunkle Flecken aus aufgewühltem Schnee. Kurz darauf fand sie die Leichen, zwei Pferde, einen der Maskierten und eine Tochter des Vater-Baumes. Sie waren noch warm, und die überlebende Tochter hatte deutliche Spuren und den Geruch von Blut hinterlassen. Sie musste schwer verwundet sein.
    Ihre Spuren führten den Hang hinauf, vorbei an einem großen Baum, der schräg über eine Schlucht mit einem gefrorenen Bach gewachsen war. Nerek erkannte mit ihren geschärften Sinnen die Tochter, die sich gegen den Fuß des Baumes lehnte. Der Schaft eines Speeres stak in ihrem Schenkel, während sie mit beiden Händen den Bogen bereit hielt und angestrengt in die Dunkelheit hinausstarrte. Nerek beschloss, den Baum lieber auf der anderen Seite zu umgehen, damit sie nicht das Risiko einging, sich zur Zielscheibe zu machen.
    Sie hatte die Hälfte des Weges zurückgelegt, als die Dunkelheit sich plötzlich bewegte und eine große Gestalt mit einem langen Schwert in der Hand auf sie zustürzte. Sie wich dem Angriff aus und schwang ihr Schwert in einem gezielten Hieb gegen den Unterleib des Gegners … als ein Pfeil dicht an ihrem Kopf vorüberzischte. Ihr Angreifer stöhnte, und dann hörte sie ein helles, schnappendes Geräusch. Unter ihrem konzentrierten Blick schienen sich die Schatten ein wenig aufzulösen und sie erkannte das Gesicht von Azurech-Byrnak. Er lächelte, als Nerek einige Schritte zurückwich, und vor dem Bogenschützen Deckung suchte.
    »Also weißt du noch, wie man die Macht einsetzt.« Er lachte, und der Nimbus der Stille maskierte seine Stimme, sodass nur Nerek seine Worte hören konnte. »Einmal geschmeckt und nie vergessen, hm? Unser Gebieter setzt großes Vertrauen in dich, Nerek, und er ist davon überzeugt, dass du an seine Seite zurückkehren wirst… Er kennt dich, Spiegelkind.«
    »Er kennt nur das, was er zu kennen glaubt«, antwortete sie. »Ich bin nicht mehr die, die ich einst war.« Azurech schüttelte den Kopf. »Wie könnte ein Vater nicht das kennen, was er schuf? Komm mit mir zurück, Nerek. Du weißt, dass die Rebellen und Magier uns nicht mehr lange widerstehen können.« Die unausgesprochene Drohung konnte sie nicht schrecken, schlimmer jedoch war die Hartnäckigkeit der Stimme in ihrem Inneren, die sie bestürmte, zu ihm zurückzugehen, und die mit jeder Sekunde lauter wurde. Sie wappnete sich, griff nach dem Brunn-Quell und füllte ihre freie Hand mit blendendem Brunn-Feuer. Ohne Azurech aus den Augen zu lassen, hob sie den Säbel und fuhr mit seiner Klinge durch ihre hohle Hand. Das Schwert brannte in der Dunkelheit.
    »Ich werde niemals freiwillig mitkommen«, sagte sie.
    Bevor Azurech antworten konnte, drang ein merkwürdiger, wehklagender Schrei vom Himmel. Etwas flatterte herab und hockte sich auf die obersten Zweige des Baumes, von denen der Schnee herunterrieselte. Es schrie noch einmal, breitete seine gewaltigen Schwingen aus und flog dann nach Westen davon. Azurech schaute ihm nach und richtete seinen Blick wieder auf Nerek. Sein bärtiges Gesicht glühte in einem bösartigen Lächeln. »Bis zum nächsten Mal, Lebwohl.« Er drehte sich um und verschwand im Schatten. Nerek verbannte alle Gedanken an ihre Selbstzweifel und kümmerte sich um die verwundete Tochter des Vater-Baumes. Bardow lief unruhig in seiner Kammer auf und ab, hin und her gerissen zwischen Wut und Sorge. »Was hat sie sich dabei gedacht?«, fragte er Alael, die auf einem Lehnstuhl neben einer überladenen Werkbank saß. »Ich habe ihr ausdrückliche Instruktionen hinterlassen, dass wir uns beim ersten Licht des Tages hier treffen wollten. Statt dessen höre ich, dass sie mit Yarram zur Getreidestraße geritten ist, dort nur knapp einem

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