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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Staub vermischte sich mit dem Schnee, den tausende feindlicher Krieger in dunklen Matsch verwandelten, als sie sich vor der Bresche sammelten und auf den Befehl warteten, in die Stadt einzudringen. Bardow sah kaum einen Verteidiger auf dem Wall neben der Lücke, aber er wusste von der Nachtkrähe, dass Yasgur den größten Teil seiner Truppen von den westlichen und nördlichen Mauern abgezogen und sie so schnell wie möglich zum Südwall beordert hatte. Außerdem machten Gerüchte die Runde, dass die überlebenden Jäger-Kinder in der Altstadt eine zivile Miliz aufgebaut hatten, die das Fort an der Kapelle hastig neu proviantierten und befestigten.
    Dies alles wirkte auf Bardow jedoch nur wie das letzte, verzweifelte Aufbäumen einer dem Untergang geweihten Zivilisation. Alle Mühsal, die zähen Verhandlungen, die großen Opfer, Mazarets Verfolgung von Azurech, die Verteidigung von Scallow, all dies schien letztlich nur zu dieser entscheidenden Konfrontation mit dem Schattenkönig Byrnak geführt zu haben, einem Halbgott mit gewaltiger Zerstörungskraft. Die einzige Hoffnung blieb nun das vereinte Schwert, die Doppelklinge, die allein einen Schattenkönig zu töten vermochte. Da Nerek die einzige Person war, die Bymak nahe kommen konnte, hatte Bardow sie auserkoren, das Schwert zu führen. Durch seine Ver bindung mit dem Kristallauge wusste er, dass sie sich in einer der unteren Etagen des Hohen Turms aufhielt, aber das Auge zeigte ihm auch die Gegenwart zweier weiterer Meister des Brunn-Quell an, und zwar ganz in der Nähe.
    Sorge übermannte ihn, und er ließ den Blick durch die Aussichtskammer gleiten. In dem Raum drängten sich Diener, Lakaien und Schreiber, die hier in der letzten Viertelstunde aufgrund der Gerüchte über Mörder, welche im Erdgeschoss herumschlichen, Zuflucht gesucht hatten. Bei diesen Mördern konnte es sich nur um die beiden Eindringlinge handeln. Eine Hand voll Paladine hatte sie begleitet, aber dennoch waren sie hier nicht sicher. Falls Byrnak sich den Weg in den Palast erzwungen hatte, würde er Bardow suchen. Und der Erzmagier wollte so wenig Unschuldige wie möglich in Mitleidenschaft ziehen, wenn es zu diesem fürchterlichen Aufeinandertreffen kam.
    Unter sich sah er Byrnaks schwarzgewappnete Truppen über die Trümmer schwärmen, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen, also zog er sich hastig durch die Arkade wieder ins Innere der Kammer zurück und stellte sich in die Mitte.
    »Freunde«, sagte er. »Bitte hört mich an. Ich muss Euch etwas sehr Wichtiges sagen, und die Zeit läuft uns davon …«
    Das Stimmengewirr legte sich, doch bevor er weitersprechen konnte, zuckte ein Schmerz durch seinen Kopf, eine dringende Warnung des Kristallauges. Die Feinde hatten diese Etage erreicht und kamen näher. Im nächsten Augenblick hämmerte jemand laut an die Tür einer Nische, hinter der ein schmaler Dienstbotengang und eine Treppe lagen. Bardow hatte sie zwar verschlossen und verriegelt, aber sie war nicht dafür gemacht, dem heftigen Angriff standzuhalten, der sie jetzt erschütterte. Während die Leute furchtsam zurückwichen, zersplitterte die Tür und flog nach innen.
    Eine große, gepanzerte Gestalt in einem schwarzen Umhang trat in die Kammer und zerrte eine junge Frau in einem blauen Kleid hinter sich her, die sich heftig wehrte. Alael. Sie weinte, während sie weiter versuchte, dem stählernen Griff des Mannes zu entkommen. Ihr Häscher wandte sich Bardow zu, der verblüfft in das Gesicht seines alten Freundes Ikarno Mazaret sah. Seine Überraschung verwandelte sich jedoch rasch in kalte Wut, als er das silbergraue Haar und die kalkweiße Haut des Geistschattens bemerkte. Nach ihm trat eine kleinere und schlankere Gestalt ein, ebenfalls in einer dunklen Rüstung, die jedoch mit silbernen Intarsien verziert war. Dieser Geistschatten hatte Suviels Gesicht, und seine Miene war zu einer spöttischen Fratze verzogen.
    »Ist sie noch…?«, sagte der Mazaret-Schatten, aber bevor der zweite antworten konnte, tauchte jemand anderes in der zerstörten Tür auf und bedachte die beiden schwarzen Gestalten mit einem finsteren Blick. Nerek. Bardow betrachtete unsicher ihren brennenden Blick, den bläulichen Schimmer ihrer Haut und die grüne Aura der Macht, die sich drohend über sie legte.
    Nerek nahm die Menschen in der Kammer des Hohen Turms wahr, die verängstigten Diener, die Hand voll Ritter, die mit gezückten Schwertern beschützend vor ihnen standen, die beiden Geistschatten mit

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