02 - Schatten-Götter
Geheiß des Vater-Baumes zum Teich zurück. Ghazrek warf mittlerweile gelangweilt Fruchtkerne in das silbrige Wasser und blickte hoch, als Tauric sich näherte. »Das ging schnell, Sire«, sagte er. »Wart Ihr erfolgreich?«
»Ich bin nicht sicher«, erwiderte Tauric.
Es wird eine Wirkung zeitigen,
meinte der Vater-Baum in seinen Gedanken.
Hoffentlich die richtige.
Nur Augenblicke später tauchten Hexenmähren allein, zu zweit oder in kleinen Gruppen aus dem fahlen Dickicht auf und versammelten sich langsam und ernst am Teich. Tauric konnte nicht sagen, ob alle da waren, doch schließlich trat Shondarefh vor und baute sich vor ihm auf.
»Alle unsere Innerländer haben aufgehört zu existieren«, sagte er. »Ihr habt unsere Herzen mit Leid erfüllt, und wir sind krank vor Gram.« Die Hexenmähre hielt kurz inne. »Wir haben geirrt, als wir das Reich und seine Völker verließen … Wir werden tun, worum Ihr uns gebeten habt und uns an der Schlacht beteiligen, aber zuvor müssen wir den Namen des Geistes erfahren, den Ihr in Euch tragt…«
Alle schwiegen, und in Taurics Verstand herrschte ebenfalls absolute Stille, bis er fürchtete, der Vater-Baum hätte ihn einfach verlassen. Dann erhob sich seine Stimme sehr klar und deutlich in seinen Gedanken und in dem aller anwesenden Hexenmähren sowie im Geist von Ghazrek.
Ihr kennt meinen Namen, Shondareth.
Die große Hexenmähre neigte den Schädel und knickte in den Vorderläufen ein. Seine Gefährten taten es ihm nach. Ghazrek starrte Tauric mit offenem Mund an.
»Wir dachten, Ihr wäret zerstreut und verloren, Erhabener Vater-Baum.«
Das war ich und mehr als das. Wahrlich, der Name ist fast alles, was mir blieb, und er wird nur flüsternd ausgesprochen. Aber es macht mich froh zu sehen, dass Ihr bereit seid, gegen unseren uralten Feind zu ziehen. Ich weiß, dass Euch diese Entscheidung schwergefallen ist.
»Wir sind bereit, o Herr.«
Dann ist die Zeit gekommen, diesen Ort zu verlassen. Tauric wird uns führen.
Erschrocken sprang Tauric auf.
Wie soll ich vorangehen, wenn ich den Weg nicht kenne …?
Geht nach rechts um den Teich.
Die Stimme des Vater-Baumes war wieder auf seine eigenen Gedanken beschränkt.
Wenn Ihr einen breiten Pfad erreicht, der zwischen den Bäumen hindurch führt, dann folgt ihm …
Tauric nickte und setzte sich in Bewegung, dicht gefolgt von Ghazrek und der großen Herde von Hexenmähren. Wie der Geist des Vater-Baums gesagt hatte, führte ein breiter Weg vom Teich durch die fahlen, nebligen Wälder. Kurz darauf gabelte sich der Pfad in drei Wege. Tauric blieb stehen.
Welchem folgen wir?
Das spielt keine Rolle, wählt einen aus.
Er dachte einen Moment nach und betrat dann den rechten Weg.
Werden wir Besh-Darok noch rechtzeitig erreichen, um meinen Leuten zu helfen?, dachte er. Oder kommen wir erst Tage nach dem Ende der Schlacht an?
Die Zeit, wie ihr sie kennt, funktioniert in der Leere anders, vor allem im Refugium der Hexenmähren. Seid versichert, dass wir bei unserer Rückkehr alle Hände voll zu tun haben werden …
Die ersten Anzeichen dafür, dass sie wieder in die reale Welt zurückgekehrt waren, lieferten die Kälte und die großen Schneeflocken, die vom Himmel herabfielen. Schließlich lichtete sich das Dickicht, und sie gelangten an einen bewaldeten Hügel, über den ein eisiger Wind fegte. Das Land befand sich fest im Griff des Winters. Jede Anhöhe und Senke, jeder Busch und jeder Fluss waren von einer weißen Schneeschicht überzogen, die alle Geräusche dämpfte.
»Die Welt schläft«, bemerkte Shondareth.
»Dennoch tobt in ihr eine Schlacht.« Tauric deutete auf dicke Rauchwolken, die in weiter Ferne hinter einer Reihe niedriger Hügel aufstieg. In dieser Richtung lag Besh-Darok.
Shondareth beugte erneut seine Vorderläufe und kniete vor Tauric nieder. »In mythischen Zeitaltern zogen die Kaiser von Khatrimantine auf Hexenmähren in die Schlacht. Vielleicht ist es an der Zeit, Majestät, diese alte Sitte wieder aufleben zu lassen.«
Tauric traten vor Rührung die Tränen in die Augen, aber er lächelte. »Ich fühle mich zutiefst geehrt.« Er trat dicht an die kniende Kreatur heran und musste erst auf den Hals steigen, bevor er hinter die Schultern rücken konnte. Eine andere Hexenmähre erwies Ghazrek dieselbe Höflichkeit, und dann galoppierte die Herde den Hügel hinunter auf die Rauchsäulen zu.
Am Fuß des Hügels überquerten sie ein gefrorenes Rinnsal und fegten gerade einen kahlen, verschneiten Hang
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