02 - Schatten-Götter
blicklosen, glasigen Augen. Das Gewicht derer, die auf die anderen geklettert waren, zerbrach letztere zu Scherben und Stücken grauen Eises, bevor sie selbst zersplitterten.
Eine kleine Schar, etwas mehr als zweihundert, war zwar dem Todesbrodem entkommen, wurde jetzt jedoch von den Hexenmähren erbarmungslos gejagt. Schon bald sprenkelten Gruppen grauer, regloser Statuen den Hügel. Tauric fühlte einen Anflug von trostloser Trauer, als er die letzten von ihnen den eisigen Tod sterben sah. Aber warum hatten sie die Mogaun gehetzt?
Trauere nicht um sie - es sind Bestien, diese Krondemari, und sie wurden nur zu einem einzigen Zweck gezüchtet: Um gnadenlos zu töten,
sagte der Geist des Vater-Baums.
Die Hexenmähren scheinen sie sehr zu hassen … Warum?
Beide Rassen haben gemeinsame Vorfahren, aber der eine Zweig dieser uralten Wurzelrasse wurde vom Herrn des Zwielichts verderbt. Die Hexenmähren betrachten ihr Handeln als eine Befreiung der gequälten Seelen aus ihrem Elend …
Tauric fröstelte und fragte sich, wie dieser Wunsch nach Vergeltung sich über so viele Zeitalter hatte erhalten können. Dann hörte er, wie Ghazrek ihm etwas zurief und drehte sich auf Shondareths breitem Rücken herum. Eine kleine Gruppe von Mogaun näherte sich ihm. Zwei trugen Stammesbanner. Das eine zeigte stilisierte, blutige Klauen, das andere eine schwarze Halbmondsichel, während andere Häuptlinge kleine graue Wimpel an ihren Speeren hochhielten. Shondareth drehte sich um und musterte die Ankömmlinge. Es hatte fast aufgehört zu schneien, und auch der Wind hatte sich gelegt.
Die Anführer der Mogaun waren zwei ältere Männer, die selbst keine Banner trugen. Tauric nahm an, dass es sich bei den beiden um Oberhäuptlinge handeln musste. Der Vater-Baum machte ihm ihre Sprache verständlich, und Tauric hörte zu, wie Ghazrek sie begrüßte und ihnen Tauric vorstellte. Als sie hörten, wer er war, versteiften sie sich kurz und schauten ihn lange und prüfend an, bevor sie sich miteinander berieten. Dann ritten sie langsam näher und blieben vor Tauric stehen, während Ghazrek ihnen sichtlich verwirrt folgte.
»Seid gegrüßt, Tauric, König«, sagte der Größere der beiden. »Ich bin Welgarak, der Oberste und Vater der Familien des Schwarzmondclans, und dies hier ist Gordag, Oberster der Rotklauen. Im Namen unserer Stämme und Clans danken wir Euch und Euren …« Er ließ seinen Blick über die Herde der Hexenmähren gleiten, die sich hinter Tauric versammelt hatten. »… Freunden vom Stamm der Hexenmähren.«
»Ihr erweist uns jetzt erheblich mehr Freundlichkeit, als Euer Volk es während der Invasion getan hat«, erwiderte Shondareth scharf.
»Damals leiteten andere Kriegshäuptlinge Horde und Clans«, erwiderte Welgarak. »Andere Stimmen gaben Befehle und andere Hände führten die Speere. In letzter Zeit hat sich viel geändert.«
»Alles hat sich geändert«, mischte sich Gordag ein. »Die Vergangenheit ist hohle Lüge und die Gegenwart voller Gemetzel und Gier. Wir müssen Euch dies fragen, Tauric, König: Reiten wir zusammen gegen die Schattenkönige, im Einklang mit dem heimlichen Pakt, den wir mit Yasgur, Oberhäuptling, Prinz und Lordregent von Besh-Darok, geschlossen haben? Oder lehnt Ihr das Bündnis ab und bittet den Tod an die gedeckte Tafel Eurer Länder?«
Tauric war von dem Angebot des Mannes verblüfft und bemühte sich, seine Fassung zu bewahren. Yasgur hatte eine Allianz mit den Mogaun geschlossen? Aber wann, und warum? Und wusste Bardow davon?
Plötzlich überkamen ihn Schuldgefühle. Wäre er nicht so besessen gewesen, sich von dem Himmelspferd-Schwindel täuschen zu lassen, hätte der Erzmagier ihn vielleicht mehr ins Vertrauen gezogen.
Manche Dinge lernt man zu spät,
ließ sich der Vater-Baum vernehmen.
Aber auch eine solche Erfahrung ist nicht verschwendet. Jetzt jedoch müsst Ihr eine Entscheidung treffen …
Tauric straffte sich und sah den Oberhäuptlingen in die Augen.
»Oberhäuptlinge der Mogaun … Ich rufe Euch auf, mit mir gegen die Schattenkönige zu reiten und ihren Gräueltaten Einhalt zu gebieten!«
23
Sie aßen von der Essenz der Welt
Und ließen nur eine hohle Farce übrig,
Aus geborstenen, verbrannten Mauern,
Die nur den Verdammten Obdach geben.
RALQAR MORTH, DAS IMPERIUM DER NACHT, GESANG XXIII
Auf dem überfüllten Balkon herrschte vollkommenes Schweigen, während alle auf die zerborstene Mauer starrten, die langsam zusammensackte und in Trümmern hinabregnete. Der
Weitere Kostenlose Bücher