02 - Tanz der Sehnsucht
überlegte, zögerte und schüttelte den Kopf. Ein Biss würde doch nicht reichen. „Nein, danke. Zucker steigt mir beim Tanzen immer zu Kopf."
„Ich brauche das jetzt." Die Frau, mit einer Haut so dunkel wie Schokolade, biss herzhaft in den Riegel. „Und der, der braucht nichts weiter als eine Peitsche und eine Kette."
Madeline - von allen nur Maddy genannt, warf dem Choreografen, der sich gerade zum Pianisten hinunterbeugte, einen Blick zu. „Er ist hart. Aber wir werden noch froh sein, ihn zu haben."
„Ja, aber im Augenblick könnte ich ihn ..."
„Mit einer Klavierseite erwürgen?", schlug Maddy vor und erntete ein kehliges Lachen.
Ihre Energie kam zurück, und die Hitze wich langsam aus ihrem Körper. Es roch nach Schweiß und den fruchtduftenden Sprays, mit denen viele Tänzer den Schweißgeruch bekämpften.
„Ich habe dich beim Vortanzen gesehen", fuhr Maddy fort. „Du warst wirklich gut."
„Danke." Die Frau wickelte den Rest des Riegels ein und verstaute ihn in ihrem Tanzbeutel. „Wanda Starre - mit zwei R und einem E."
„Maddy O'Hara."
„Ja, ich weiß." In Theaterkreisen war Maddys Name nicht mehr unbekannt. Die Zigeuner - also die ungebundenen Tänzer, die von Show zu Show, Engagement zu Engagement wanderten - kannten sie als eine der Ihren ... die es geschafft hatte. „Es ist mein erster Vertrag", vertraute Wanda ihr mit einem besonderen Unterton an.
„Ehrlich?" Weiße Verträge waren für Solisten, pinkfarbene für Chorustänzer. Doch es ging dabei um viel, viel mehr als Farbunterschiede. Überrascht betrachtete Maddy die Frau genauer. Sie hatte ein markantes, exotisches Gesicht und den langen, schlanken Hals und die kräftigen Schultern einer Tänzerin. Sie war größer als Maddy, bestimmt dreizehn Zentimeter.
„Ja." Wanda musterte die anderen Tänzer, die sich entspannten und sammelten. „Und ich habe eine Riesenangst."
Maddy fuhr sich mit dem Handtuch übers Gesicht.
„Ich auch."
„Nun hör aber auf, Maddy. Du hast doch schon einmal in einer Starnummer geglänzt."
„Aber in dieser habe ich noch nicht geglänzt. Und ich habe noch nicht mit Myron gearbeitet." Sie sah zu dem mit seinen sechzig Jahren immer noch drahtigen Choreografen hinüber. „Es geht weiter", fügte sie halblaut hinzu. Die Tänzer erhoben sich und lauschten den nächsten Instruktionen.
Weitere zwei Stunden tanzten sie konzentriert, kämpften und feilten jede Bewegung aus. Als die anderen entlassen wurden, bekam Maddy eine zehnminütige Pause zugestanden, bevor sie ihr Solo probieren musste. Eine Solotänzerin musste sich für die Aufführung wie ein Athlet für seinen Marathonlauf vorbereiten. Probe, Disziplin und wieder Probe. Jede Bewegung musste ihrem Körper, ihren Muskeln und Gliedern im Schlaf verfügbar sein. Und alles musste im Einklang von Rhythmus und Takt stehen.
„Versuche es jetzt mit ausgestreckten Armen, auf Schulterhöhe. Besser", meinte Myron, nachdem Maddy all ihre Energie in die Schrittfolge gelegt hatte. Doch von Myron war das ein echtes Lob. „Und jetzt die Schultern lockern. Die Bewegungen müssen eher hart und schneidend sein. Zieh sie nicht weich durch, schneide sie ab. Du bist Stripperin, keine Ballerina."
Sie lächelte, denn während seiner Kritik massierte er ihr gleichzeitig die müden Schultermuskeln.
Myron hatte den Ruf, ein gnadenlos harter Lehrer zu sein, aber er hatte ein mitfühlendes Herz für einen Tänzer.
Der Assistent gab den Takt vor, und Maddy überließ ihrem Körper das Denken. Schneidend, hart, scharf. Das verlangte die Rolle, also musste sie so sein. Allein mit ihrer Stimme konnte sie diese Rolle nicht überzeugend gestalten, sie musste ihren ganzen Körper einsetzen. Die Beine hoben sich, schnellten in einer Serie von ruckartigen Kicks vor.
Ihre Arme streckten sich zur Seite, umfassten ihren Körper wie zur Umarmung und flogen wieder hoch, während ihre Füße sich wie von selbst im Takt bewegten.
Ihr langes, rotblondes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, und das Schweißband war schon durchnässt. Sie würde später ihr Haar in schulterlangen wilden Locken für diese Nummer tragen müssen, doch jetzt dachte sie einfach nicht daran. Ihr Gesicht glänzte feucht, doch sie ließ sich die Anstrengung nicht anmerken. Sie wusste, wie sie mit ihrem Gesicht Ausdruck, Gefühl vermitteln musste. Im
Theater war es oft nötig, den Ausdruck zu übertreiben. Über ihre weich geschwungene Oberlippe perlten Schweißtropfen, doch sie lächelte, blickte
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